Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeldanspruch. Verfügbarkeit. Minderung der Leistungsfähigkeit. Nahtlosigkeitsregelung. persönliche Arbeitslosmeldung. Verhinderung durch gesundheitliche Einschränkungen der Leistungsfähigkeit. Entbehrlichkeit der persönliche Vorsprache eines Vertreters. schriftliche Meldung
Orientierungssatz
Die Regelung des § 125 Abs 1 S 3 SGB 3 ist ohne Verletzung des im SGB 3 geltenden Primats der zeitnahen Vermittlung in Arbeit so auszulegen, dass die Bestellung eines Vertreters und dessen persönliche Vorsprache auf der Arbeitsagentur jedenfalls dann entbehrlich sind, wenn der Arbeitslose die zur Bearbeitung seines Antrages nach § 125 SGB 3 erforderlichen Daten mit dem schriftlichen Antrag so übermittelt, dass die Arbeitsagentur unverzüglich in die für diese Leistung nötige Prüfung einsteigen kann.
Tenor
Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 15.3.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31.3.2010 verurteilt, der Klägerin mit Wirkung ab 5.2.2010 Arbeitslosengeld nach § 125 SGB III zu gewähren.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob die “persönliche Arbeitslosmeldung„ in einem § 125 SGB III-Nahtlosfall zumindest die persönliche Vorsprache eines Vertreters des Arbeitslosen erfordert.
Nach Bezug von Krankengeld in der Zeit vom 11.9.2008 bis zum 28.1.2010, dem eine von der Rentenversicherung mit Übergangsgeld geförderte Rehabilitationsmaßnahme folgte, die die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig abbrechen musste, wandte sich die Klägerin mit Einschreiben per Rückschein am 5.2.2010 an die zuständige AA und beantragte Arbeits-losengeld (Alg) nach § 125 SGB III. Dem Antrag fügte sie die Mitteilung der Krankenkasse zum Ablauf des Krankengeldanspruchs am 28.1.2010, den Bescheid des Rentenversicherungs-trägers über die Bewilligung von Übergangsgeld und das Antragsformular für die am 4.2.2010 beantragte Erwerbsminderungsrente bei.
Die Beklagte reagiert hierauf mit Schreiben vom 9.2.2010, in dem sie auf die Notwendigkeit einer persönlichen Arbeitslosmeldung hinwies. Weiter heißt es: “Bitte sprechen Sie bis 15.2.2010 mit einem gültigen Personaldokument in Ihrer zuständigen Agentur für Arbeit vor.„
Die Klägerin war dann am 15.2.2010 persönlich vorstellig geworden und erhielt mit Bescheid vom 15.3.2010 Alg ab 15. Februar.
Der hiergegen erhobene Widerspruch, mit dem die Klägerin geltend machte, aus gesundheit-lichen Gründen an einer früheren persönlichen Arbeitslosmeldung gehindert gewesen zu sein, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 31.3.2010).
Mit ihrer am 26.4.2010 beim Sozialgericht Berlin erhobenen Klage verfolgt die Klägerin den Anspruch auf Gewährung von Alg ab 5.2.2010 weiter. Sie bezieht sich auf ein Attest der sie behandelnden Ärztin, wonach sie, die Klägerin, “wegen einer akuten psychischen Reaktion„ nach einem Todesfall in der Familie außerstande gewesen sei, in der Zeit vom 4.2. bis 12.2.2010 auf der AA zu erscheinen.
Der Rentenversicherungsträger hat der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 11.10.2011 eine befristete Erwerbsminderungsrente mit Zahlbeginn 1.9.2010 bei Festlegung des Eintritts der Erwerbsminderung am 3.2.2010 bewilligt.
Die Bevollmächtigte der Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 15.3.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31.3.2010 zu verurteilen, der Klägerin mit Wirkung ab 5.2.2010 Arbeitslosengeld nach § 125 SGB III zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
im Fall der Stattgabe die Berufung zuzulassen.
Sie verweist auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die beigezogene Leistungsakte verwiesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung nach § 124 SGG einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Alg ab 5.2.2010.
Unter Berücksichtigung der Feststellung des Rentenversicherungsträgers zum Zeitpunkt des Eintritts der Erwerbsunfähigkeit und der Bescheinigung der behandelnden Ärztin steht fest, dass die Klägerin außerstande war, vor Montag, dem 15.2.2010, persönlich auf der AA vor-stellig zu werden. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Leiden, derentwegen die Erwerbsminderungsrente mit Versicherungsfall seit 3.2.2010 gezahlt wird, nicht so gravierend waren, dass sie eine persönliche Vorsprache unzumutbar oder gar unmöglich gemacht hätten - der akute Zusammenbruch wegen des Todesfalls daran gemessen also “nur„ eine vorübergehende Erkrankung war - greift vorliegend die Regelung des § 125 SGB III ein, weil die Klägerin schon ab 3.2.2010 wegen einer mehr als sechsmonatigen Minderung ihrer Leistungsfähigkeit keine versicherungspflichtigen Beschäftigungen von mindestens 15 Stunden wöchentlich ausüben konnte und der Rentenversicherungsträger seinerzeit noch keine verminderte Erwerbsfähigkeit fest...