Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Vertrag über die Regelung des Apothekenrabatts. Bewertungsmaßstab bei Anpassung des Apothekenabschlags durch die Vertragspartner. Festsetzung durch Schiedsstellenentscheidung. betriebswirtschaftliche Betrachtung der Leistungsgerechtigkeit. Berücksichtigung apothekenzuschlagsbezogener Umsätze. sozialgerichtliches Verfahren. Zulässigkeit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage. Verwaltungsakt
Leitsatz (amtlich)
1. Der vom Gesetzgeber in § 130 Abs 1 S 2 SGB 5 für die Anpassung des Apothekenabschlags vorgegebene Bewertungsmaßstab ist die Leistungsgerechtigkeit der Summe der Vergütungen für die Leistungen aller Apotheken bei der Abgabe verschreibungspflichtiger Fertigarzneimittel. Die Vertragsparteien und die Schiedsstelle nach §§ 130, 129 SGB 5 sind gehindert, von diesem umfassenden Maßstab abzuweichen.
2. Der Maßstab der Leistungsgerechtigkeit verlangt, dass den Betreibern der Apotheken bei wirtschaftlicher Betriebsführung im Rahmen des Wettbewerbs auch nach Realisierung des Apothekenabschlags ein bei umfassender Betrachtung angemessener Gewinn verbleiben soll.
3. Eine umfassende Bewertung der Leistungsgerechtigkeit der Vergütungssumme kann ohne die Berücksichtigung der apothekenzuschlagbezogenen Umsätze nicht erfolgen, auch weil der Umfang der Leistungen in die Bewertung einzufließen hat und eine wirtschaftliche Betriebsführung Maßstab ist.
4. Angesichts der Regelungsgeschichte des § 130 SGB 5 muss das gesetzgeberisch gewünschte Einsparvolumen als Normzweck in die Auslegung und Anwendung der Vorschrift einfließen.
Orientierungssatz
1. Bei einem Rechtsstreit über die Festsetzung des Apothekenabschlags nach § 130 Abs 1 SGB 5 durch eine Schiedsstelle ist die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage und nicht die Feststellungsklage
zulässig.
2. Bei einem Schiedsspruch zur Festsetzung des Apothekenabschlags nach § 130 Abs 1 SGB 5 handelt es sich um einen Verwaltungsakt.
Tenor
1. Die Entscheidung der Beklagten vom 21. Dezember 2009 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag auf Festsetzung des Abschlags nach § 130 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V für das Kalenderjahr 2009 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Der Kläger, die Beklagte und der Beigeladene haben die Kosten des Rechtsstreites jeweils zu einem Drittel zu tragen.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Festsetzung des Apothekenabschlags nach § 130 Abs 1 SGB V durch die beklagte Schiedsstelle für das Jahr 2009 und darüber, inwieweit diese Festsetzung auch für das Jahr 2010 Bedeutung hat.
Der klagende GKV-Spitzenverband und der beigeladene Deutsche Apothekerverband nahmen im September 2008 Verhandlungen zur Festsetzung des Apothekenabschlags nach § 130 Absatz 1 SGB V für das Kalenderjahr 2009 auf. Am 9. Oktober 2008 einigten sich die Verhandlungsbeauftragten der Beteiligten auf einen Rabatt von 1,70 EUR. Der Kläger lehnte jedoch den Abschluss einer solchen Vereinbarung ab. Weitere Einigungsversuche scheiterten. Am 14. Juli 2009 beantragte der Beigeladene die Einleitung des Schiedsstellenverfahrens. Es fanden drei Verhandlungen statt. Wegen der Ergebnisse dieser Verhandlungen wird auf die dazu getroffenen Feststellungen in der Begründung der Schiedsstellenentscheidung vom 21. Dezember 2009 entsprechend § 136 Abs 2 SGG Bezug genommen.
Mit acht zu vier Stimmen beschloss die Schiedsstelle am 21. Dezember 2009, den Apothekenabschlag mit Wirkung für das Kalenderjahr 2009 auf 1,75 EUR festzusetzen. Ausgangsmaßstab müsse die gesetzgeberische Entscheidung zum 1. April 2007 sein, weil der Gesetzgeber für diesen Zeitpunkt den Rabatt mit 2,30 EUR als leistungsgerecht angesehen habe. Berücksichtigungsfähige Veränderungen, die sich hinreichend klar aus § 130 Abs 1 Satz 2 SGB V ableiten lassen würden, seien die Veränderungen der Personalmenge, der Personalkosten sowie der Sachkosten.
Dabei berücksichtigte die Beklagte die Erhöhung der Zahl der Beschäftigten. Sie führte dies zu einem geringen Teil auf die Gründung neuer Filialen, zum überwiegenden und insofern maßgeblichen Teil auf einen erhöhten Beratungsaufwand wegen der Aut-idem-Regelung und der Abgabe von Medikamenten mit Herstellerrabatten zugunsten bestimmter Krankenkassen zurück. Weitere Gründe für einen höheren Personalbedarf seien nicht erkennbar. In Vollzeitstellen ausgedrückt ergebe sich ein Mehreinsatz von Personal, bereinigt um die Stellen für Mitarbeiter in neuen Filialen, von 3.154. Daraus errechne sich bei einer Vergütung für besonders qualifizierte Kräfte und Ansatz der Anzahl der 2008 verkauften Verpackungen (571 Mio.) ein Mehraufwand pro Packung von 0,23 EUR.
Auch hinsichtlich der Personal- und Sachkosten ging die Beklagte von der packungsbezogenen Vergütung aus und zog dafür vom Betrag des Apothekenrabatts die Umsatzsteuer ab. Sie gelangte so bei den Personalkosten unter Anwendung der Tarifentwicklung, auch unter Berücksichtigung der für d...