Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Richtlinien der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zur Durchführung des bundeseinheitlichen Zahlungsausgleichsverfahrens (Fremdkassenzahlungsausgleich). kein Verstoß gegen höherrangiges Recht. quotierte Vergütung. In Kraft setzen von Version 1.05 vom 19.1.2010 zum 1.1.2009. zulässige unechte Rückwirkung. Besetzung des Gerichts
Leitsatz (amtlich)
1. Die Richtlinien der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zur Durchführung des bundeseinheitlichen Zahlungsausgleichsverfahrens (Fremdkassenzahlungsausgleich) mit den Kassenärztlichen Vereinigungen (FKZ-RL) (juris: FKZRL) können von den Kassenärztlichen Vereinigungen zum Gegenstand einer Feststellungsklage vor den Sozialgerichten gemacht werden.
2. Die FKZ-RL in der Fassung vom 19.1.2010 (Version 1.05) und vom 28.7.2011 (Version 1.06) verstoßen nicht gegen höherrangiges Recht.
3. Die §§ 75 Abs 7a S 1 SGB 5, 87a Abs 3a S 1 SGB 5 idF des GKV-WSG schließen eine Regelung in der FKZ-RL nicht aus, nach der die in der in der Leistungserbringer-KV erbrachten Leistungen von der Wohnort-KV im Hinblick auf die vereinbarte morbiditätsbedingte Gesamtvergütung nur quotiert vergütet werden.
4. Das in Kraft setzen der FKZ-RL in der Fassung vom 19.01.2010 zum 1. Januar 2009 stellt einen Fall der zulässigen unechten Rückwirkung dar.
Orientierungssatz
Bei einem Rechtsstreit über die FKZ-RL hat das Gericht in der Besetzung mit zwei Vertragsärzten zu entscheiden, da es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte handelt.
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerinnen tragen die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese jeweils selbst tragen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der von der Beklagten erlassenen “Richtlinie der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zur Durchführung des bundeseinheitlichen Zahlungsausgleichsverfahrens (Fremdkassenzahlungsausgleich) mit den Kassenärztlichen Vereinigungen„ (im Folgenden: FKZ-RL).
Mit Einführung des neuen Vergütungssystems für vertragsärztliche Leistungen durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG vom 26.3.2007, BGBl. I 378) zum 1.1.2009 (vgl. § 87a Abs. 1, § 87b Abs. 1 SGB V a.F.) - insbesondere mit einer einheitlichen Gebührenordnung in Euro auf der Grundlage bundeseinheitlicher Orientierungspunktwerte - wurden zugleich die gesetzlichen Vorgaben für die von der Beklagten zu erlassende FKZ-RL ergänzt (vgl. § 75 Abs. 7a SGB V a.F.) und weitere Regelungen zur überbezirklichen Durchführung der vertragsärztlichen Versorgung eingefügt (vgl. § 87a Abs. 3a Satz 1 und 2, § 87b Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SGB V a.F.).
Der Bewertungsausschuss (BewA) und der Erweiterte Bewertungsausschuss (EBewA) erließen daraufhin eine Reihe von Beschlüssen zur näheren Ausgestaltung der gesetzlichen Vorgaben, so vor allem den Beschluss vom 27./28. August 2008 (DÄBl. 2008, A 1988).
Die Beklagte änderte daraufhin die FKZ-RL vom 8. August 2008 (Version 1.03 - in Kraft getreten am 1. Januar 2008) mit Datum vom 26. Mai 2009 (Version 1.04). Die Version 1.04, die ausweislich des Titelblattes “ab 1/2009 bis 2/2009„ gültig war, bestimmte in Ziff. 2.1. Abs. 2: “Die Höhe der Vergütung der Leistungen nach 1.3.1. bis 1.3.4. ergibt sich aus der Bewertung mit den Preisen der für den abrechnenden Vertragsarzt gültigen regionalen Euro-Gebührenordnung„. Die Ziff. 1.3.1. bis 1.3.4 enthielten nähere Bestimmungen zu den im FKZ-Verfahren berechnungsfähigen Leistungen.
Die Geschäftsführung des BewA fragte unter dem 1. Oktober 2009 beim Bundesministerium für Gesundheit (BMG), Beigeladene zu 1), an, ob unter den in § 87a Abs. 3a Satz 1 und 2 genannten Preisen die jeweils gemäß § 87a Abs. 2 Satz 6 SGB V geltenden Preise der jeweiligen Eurogebührenordnung zu verstehen sind, oder ob in diesem Kontext ebenso andere Preise, beispielsweise im Rahmen von Abstaffelungen, zur Anwendung kommen könnten. Die Beigeladene zu 1) führte in ihrem Antwortschreiben vom 28. Oktober 2009 - das der Beklagten und der Beigeladenen zu 2) nachrichtlich zur Kenntnis gegeben wurde - unter näheren Darlegungen aus, dass § 87a Abs. 3a Satz 1 und 2 so auszulegen sei, dass die dort genannten Preise auch andere Preise, beispielweise im Rahmen von Abstaffelungen, umfassen könnten.
Daraufhin fasste der BewA in seiner 208. Sitzung am 8./9. Dezember 2009 den Beschluss zur Konkretisierung des Beschlusses des Erweiterten Bewertungsausschusses in seiner 7./8. Sitzung am 27./28. August 2008 für im Rahmen der überbezirklichen Durchführung der vertragsärztlichen Versorgung innerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung erbrachte Leistungen mit folgendem Regelungsgehalt:
“ 1. Der Bewertungsausschuss stellt fest, dass die im Rahmen der überbezirklichen Durchführung der vertragsärztlichen Versorgung innerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung gemäß § 87a Abs. 3 Satz 1 SGB V erbrachten Leistungen mit dem am Ort der Leistungserbringung jeweils ...