Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Nachbesetzungsverfahren für einen Vertragsarztsitz. Koppelung von Nachfolgezulassung und Praxisfortführung gilt auch bei Medizinischen Versorgungszentren. kein ausschließlicher Vorrang bestimmter leistungsrechtlicher Kriterien
Orientierungssatz
1. Das Nachbesetzungsverfahren für einen Vertragsarztsitz setzt nach dem Wortlaut des § 103 Abs 4 S 4 SGB 5 die Fortführung der Praxis durch einen Nachfolger voraus.
2. Die Koppelung von Nachfolgezulassung an die Fortführung der Praxis gilt auch nach § 103 Abs 4a S 2 für die Übernahme des Vertragesarztsitzes durch ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ).
3. Ein ausschließlicher Vorrang der in § 103 Abs 4 S 5 SGB 5 genannten leistungsrechtlichen Kriterien - wie berufliche Eignung, Approbationsalter, Dauer der ärztlichen Tätigkeit sowie die Dauer der Eintragung in die Warteliste (§ 103 Abs 5 S 3 SGB 5) - ist dem Gesetz nicht zu entnehmen: Er hätte zur Folge, dass in den Fällen, in denen Krankenhäuser Träger des MVZ sind, ältere Krankenhausärzte mit hohem Approbationsalter und langjähriger Berufserfahrung zur Anstellung vorgesehen würden, die nach leistungsbezogenen Kriterien besser qualifiziert wären als jüngere Einzelärzte, die eine Niederlassung in eigener Praxis anstreben. Bei einer Nachbesetzung in einem gesperrten Gebiet müsste die Auswahlentscheidung vorrangig zugunsten von Medizinischen Versorgungszentren ergehen, wobei die dort angestellten Ärzte nach Genehmigung der Anstellung wieder ausgetauscht werden könnten.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 7). Im Übrigen sind die Kosten der Beigeladenen nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung bei der Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes eines Facharztes für Gynäkologie in B-P.
Die Klägerin ist Trägerin eines medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) mit Sitz in Berlin auf dem Gelände der Charité, Standort ..-Klinikum. Ebenso wie der Beigeladene zu 7), ein Facharzt für Gynäkologie, sowie ein weiteres MVZ, bewarb sie sich um den im KV- Blatt Mai 2008 ausgeschriebenen Vertragsarztsitz des Facharztes für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Dr. M. in Berlin-Pankow. Gleichzeitig mit der Übertragung des Vertragsarztsitzes beantragte sie die Genehmigung zur Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit durch vier Ärzte:
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Name |
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Geb. Datum |
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Approbation |
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Facharztanerkennung |
Dr. W. |
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….1969 |
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…..1998 |
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….2005 |
Dr. S. |
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….1970 |
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….1999 |
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….2006 |
B. |
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….1960 |
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….1991 |
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….1999 |
Prof. Dr. H. |
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….1961 |
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….1991 |
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….1997 |
Dabei war zunächst vorgesehen, dass die vier anzustellen Fachärzte für Gynäkologie, die in der Charité beschäftigt waren, in einem Umfang von je 25 % in dem MVZ tätig sein sollten.
Mit Beschluss vom 18. Juni 2008 erteilte der Zulassungsausschuss dem Beigeladenen zu 7) die Zulassung ab 1. Juli 2008. Den Antrag der Klägerin lehnte er zugleich ab. Er begründete seine Entscheidung damit, dass nicht alle Bewerber gleichermaßen über eine zur Fortführung der Praxis geeignete Qualifikation verfügten. Der Beigeladene zu 7) habe sein Interesse an der Fortführung der Praxis dadurch bekundet, dass er eine entsprechende Mietoption beigefügt habe. Die Klägerin wolle den Vertragsarztsitz in das bestehende MVZ auf dem Gelände des -Klinikums integrieren. Eine Weiterversorgung der Patienten am bisherigen Standort sei nicht vorgesehen. Der weitere Bewerber, das MVZ am St. H Krankenhaus, habe nicht alle erforderlichen Unterlagen eingereicht und die Antragsgebühr nicht bezahlt.
Gegen die Auswahlentscheidung zugunsten des Beigeladenen zu 7) legte die Klägerin Widerspruch ein. Zur Begründung trug sie im Wesentlichen vor: Der Zulassungsausschuss habe das ihm zustehende Ermessen in rechtswidriger Weise ausgeübt. Der Beigeladene zu 7) sei nach den gesetzlichen Kriterien am wenigsten qualifiziert, weil er das geringste Approbationsalter habe und auch die Facharzttätigkeit kürzer ausübe, als die von ihr zur Anstellung genannten Ärzte. Die Facharztprüfung habe der Beigeladene zu 7) gleichzeitig mit Dr. S. abgelegt, aber später als die anderen drei der zur Anstellung vorgesehen Ärzte. Bei Berücksichtigung der gesetzlichen Auswahlkriterien habe die Entscheidung alleine zugunsten von Prof. Dr. H. ausfallen müssen. Es sei nicht erforderlich, die Praxis am bisherigen Praxisort fortzuführen, die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit könne auch am Sitz des MVZ erfolgen, der im Übrigen nur 6,5 km entfernt von dem bisherigen Vertragsarztsitz liege.
Mit Beschluss vom 10. September 2008 wies der Beklagte den Widerspruch und auch den in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Antrag auf Übertragung der Vertragsarztsitzes an die Klägerin und die Genehmigung zur (alleinigen) Anstellung von Prof. Dr. H. zurück. Bei der Nachfolgebesetzung in einem gesperrten Gebiet sei es erforderlich, die Praxis am bisherigen Standort oder in der unmittelbaren Umgebung weiterzuführ...