Orientierungssatz

Parallelentscheidung zu dem Vorlagebeschluss des SG Berlin vom 8.5.2007 - S 56 Al 1629/06, der vollständig dokumentiert ist.

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 22.07.2009; Aktenzeichen 1 BvL 9/07)

 

Gründe

Der am 12. Mai 1954 geborene Kläger beantragte am 31. Januar 2006, ihm mit Wirkung zum 01. Februar 2006 Arbeitslosengeld zu gewähren. Er war vom 01. Juli 1994 bis 30. November 2005 als Verkaufsbeauftragter der B und S.-Geräte GmbH beschäftigt. Vom 10. November 2004 bis 31. Januar 2006 bezog er Krankengeld. Mit Bescheid vom 15. Februar 2006 gewährte die Beklagte dem Kläger ab 01. Februar 2006 Arbeitslosengeld für 360 Kalendertage. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch mit der Begründung ein, auf der Bewilligungsstelle sei ihm beim Termin am 13. Februar 2006 gesagt worden, er wäre einen Tag zu lange krankgeschrieben gewesen und würde nun nach neuem Recht behandelt. Das bedeutet für ihn, dass er nun nicht mehr für 22 Monate Arbeitslosengeld, sondern nur für 12 Monate erhalte. Wenn ihm dies im ersten Anlauf mitgeteilt worden wäre, hätte er sein Erscheinen mit Sicherheit vorverlegt. Das sehe er als Versäumnis der Rechtsbelehrung an. Diesen Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 22. Juni 2006 als unbegründet zurück. Der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld sei erst am 01. Februar 2006 entstanden, weil er noch bis 31. Januar 2006 Krankengeld bezogen habe. Es bestehe da- her nur ein Anspruch mit einer Dauer von 12 Monaten. Ein Beratungsfehler zu Lasten des Klägers sei nicht erkennbar. Es sei weder für den Mitarbeiter der Beklagten noch für den Kläger selbst vorhersehbar gewesen, bis zu welchem Zeitpunkt seine Erkrankung dauern würde.

Der Kläger hat am 04. Juli 2006 Klage erhoben.

Er beantragt,

die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 15. Februar 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. Juni 2006 zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld für 360 Tage zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Leistungsakte der Beklagten - Kd.-Nr .. - hat der Kammer vorgelegen und ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Die Kammer setzt das Verfahren gem. Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) aus und legt dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vor, ob § 127 SGB III in der Fassung des Gesetzes zur Reform am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3002) mit Art. 14 GG vereinbar ist.

Die Entscheidung der Beklagten beruht auf § 127 SGB III in der Form des Gesetzes zur Reform am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003. Danach richtet sich die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld 1. nach der Dauer der Versicherungsverhältnisse innerhalb der um ein Jahr erweiterten Rahmenfrist und 2. dem Lebensalter, das der Arbeitslose bei der Entstehung des Anspruchs vollendet hat (§ 127 Abs. 1 SGB III). Die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld beträgt gem. § 127 Abs. 2 SGB III.

nach Versicherungspflichtverhältnissen und nach Vollendung des Monate mit einer Dauer von insgesamt mindestens Lebensjahres Monaten 12 6 16 8 20 10 24 12 30 55. 15 36 55. 18

Diese neue Vorschrift hat den "alten" § 127 SGB III gravierend verändert. Nach der Vorgängervorschrift richtete sich die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld nach der Dauer der Versicherungspflichtverhältnisse innerhalb der um vier Jahre erweiterten Rahmenfrist und dem

Lebensalter, das der Arbeitslose bei der Entstehung des Anspruchs vollendet hatte (§ 127 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB III a.F.). Die Dauer des Anspruchs betrug gem. § 127 SGB III a.F.

Nach Versicherungspflichtverhältnissen und nach Vollendung des ..Monate mit einer Dauer von insgesamt ..Lebensjahres mindestens. Monaten 12 6 16 8 20 10 24 12 28 45. 14 32 45. 16 36 45. 18 40 47. 20 44 47. 22 48 52. 24 52 52. 26 56 57. 28 60 57. 30 64 57. 32

Nach dem Wortlaut der Vorschrift des § 127 SGB III n.F. hat die Beklagte dem Kläger zutreffend am 01. Februar 2006 Arbeitslosengeld für 360 Kalendertage gewährt. Der Kläger hat innerhalb der Rahmenfrist vom 01. Februar 2003 bis 31. Januar 2006 für mindestens 24 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Da er zum Zeitpunkt der Entstehung seines Anspruches 51 Jahre alt war, steht ihm nach der Neufassung des § 127 SGB III nur ein Anspruch auf Arbeitslosengeld für 360 Kalendertage zu. Nach § 127 SGB III a.F. hätte der Kläger ab 01. März 2006 einen Anspruch auf Arbeitslosengeld für 660 Kalendertage erworben, weil er mindestens 52 Monate in der auf sieben Jahre erweiterten Rahmenfrist in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hatte und zum Zeitpunkt der Beantragung des Anspruches auf Arbeitslosengeld 51 Jahre alt war.

Die Klage kann nur Erfolg haben, wenn die neue Regelung des § 127 SGB III verfassungswidrig ist. Die Kammer hält die neue Regelung für verfassungswidrig, weil sie gegen Art. 14 GG verstößt.

Ansprüche aus der Sozialversicherung genießen Eigentumsschutz, wenn sie auf nicht unerheblichen Eigenleistungen beruhen und der Existenzsicherung dienen (vgl. BVerfGE 69,...

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