Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Zinsgutschrift auf Bausparkonto. fehlende Kündigung des Bausparvertrags. keine bereiten Mittel

 

Orientierungssatz

Einkommen ist gem § 11 SGB 2 erst dann bedarfsmindernd zu berücksichtigen, wenn es dem Hilfebedürftigen als bereite Mittel zur Bedarfsdeckung tatsächlich zur Verfügung steht. Eine Zinsgutschrift auf dem Bausparkonto kann daher nicht als Einkommen berücksichtigt werden, wenn der Bausparvertrag nicht gekündigt bzw aufgelöst wurde. Eine mögliche oder unterlassene Selbsthilfe kann nicht zur Anrechenbarkeit nicht verfügbaren und damit fiktiven Einkommens führen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 19.08.2015; Aktenzeichen B 14 AS 43/14 R)

 

Tenor

1. Der Bescheid vom 10. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. Oktober 2012 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin wehrt sich gegen die Aufhebung der Bewilligung und die Erstattung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von 226,73 Euro.

Die 1948 geborene Klägerin bezog seit dem 01.01.2005 SGB II-Leistungen vom Beklagten. Ihr wurden mit Bescheid vom 12.10.2011 SGB II-Leistungen u. a. für Dezember 2011 in Höhe von 670,67 Euro vorläufig gewährt. Mit Änderungsbescheid vom 22.12.2011 wurden ihr für Dezember 2011 unter Hinweis auf eine Einkommensnachberechnung Leistungen in Höhe von 677,57 Euro endgültig gewährt, wobei - unter Berücksichtigung eines Arbeitseinkommens von 41,10 Euro - 322,90 Euro auf den Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts und 354,67 Euro auf die Kosten für Unterkunft und Heizung entfielen.

Die Klägerin hat seit dem 02.12.1999 einen Bausparvertrag bei der LBS Norddeutschen Landesbausparkasse Berlin-Hannover (im Folgenden: LBS) zu der Nummer X. Auf dieses Bausparkonto zahlte die Klägerin regelmäßig Sparbeiträge, wobei ihr auf das Guthaben jeweils am Jahresende Zinsen gutgeschrieben wurden. Laut dem Kontoauszug für 2011 betrug das Guthaben zum 01.01.2011 9.041,04 Euro und zum 31.12.2011 9.309,58 Euro. Aus diesem Kontoauszug ergibt sich ferner, dass die Erhöhung des Guthabens in 2011 -abzüglich einer Kontogebühr von 9,20 Euro- sich aus den folgenden Gutschriften zusammensetzt: Wohnungsbauprämie 2010 von 41,01 Euro, Sparbeitrag von 10,00 Euro sowie Guthabenzinsen von 226,73 Euro. Die Guthabenzinsen wurden dem Bausparkonto laut dem Kontoauszug am 30.12.2011 gutgeschrieben.

Mit Schreiben vom 20.06.2012 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass sie nach seinen Erkenntnissen in der Zeit vom 01.12.2011 bis 31.12.2011 Arbeitslosengeld II in Höhe von 226,73 Euro zu Unrecht bezogen habe. Die Klägerin habe für das Jahr 2011 Zinsen bei der LBS in Höhe von 226,73 Euro erzielt. Zinsen seien als Einkommen zu berücksichtigen, so dass sich ein geringerer Anspruch ergebe. Der Klägerin wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Daraufhin erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 30.06.2012, dass keine erhebliche Änderung eingetreten sei und der Bausparvertrag ihrer Altersvorsorge diene und daher zur Zeit auch nicht verfügbar sei.

Durch Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 10.07.2012 hob der Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von SGB II-Leistungen für die Zeit 01.12.2012-31.12.2012 gegenüber der Klägerin ganz auf und forderte die Klägerin zur Erstattung des Betrags von 226,73 Euro auf. Zur Begründung verwies er darauf, dass die Klägerin im genannten Zeitraum Einkommen aus Zinsen bei der LBS für das Jahr 2011 erzielt habe. Diese Änderung der Verhältnisse habe die Klägerin zumindest grob fahrlässig nicht mitgeteilt. Außerdem habe sie Einkommen oder Vermögen erzielt, das zum Wegfall oder Minderung des Anspruchs geführt habe. Der Erstattungsbetrag sei an ihn zu überweisen.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin legte mit Schreiben vom 17.07.2012 gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid Widerspruch ein. Auf diesen Widerspruch erließ der Beklagte den Widerspruchsbescheid vom 05.10.2012. Darin entschied er, dass in Abänderung des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 10.07.2012 der Bewilligungsbescheid vom 12.10.2011 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 22.12.2011 für die Zeit vom 01.12.2011-31.12.2011 in Höhe von 226,73 Euro teilweise aufgehoben wird. Im Übrigen wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung führte er an:

Der Widerspruch sei zulässig, aber nicht begründet. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 10.07.2012 werde insoweit korrigiert, als das der aufgehobene Zeitraum, wie bereits in der Anhörung vom 20.06.2012 richtigerweise dargestellt, der Dezember 2011 sei. Dies werde auch aus dem Bescheid ersichtlich, zumal es um die Zinserträge aus dem Jahr 2011 gehe. Bei der Angabe des Aufhebungszeitraumes in dem angefochtenen Bescheid handele es sich um einen offensichtlichen Schreibfehler, der mit dem Wi...

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