Entscheidungsstichwort (Thema)
Minderung des Arbeitslosengeld II. Verkürzung des Sanktionszeitraums bei unter 25-Jährigen. Ermessensfehlgebrauch. Nichtvorliegen einer einzelfallbezogenen Ermessensausübung
Orientierungssatz
Zu den Umständen des Einzelfalls, die bei der Ermessensentscheidung des Grundsicherungsträgers über die Dauer der Minderung des Arbeitslosengeld II gem § 31b Abs 1 S 4 SGB 2 zu berücksichtigen sind, gehören unter anderem Art und Umstände des Pflichtenverstoßes, der Grad des Verschuldens, Alter und Einsichtsfähigkeit des Leistungsberechtigten, das Verhalten nach dem Pflichtenverstoß, die Wirkungen, die bei unverkürzter Sanktionsdauer auf die Integrationsfähigkeit und -bereitschaft des Jugendlichen oder jungen Erwachsenen zu erwarten sind, sowie, ob es sich um einen wiederholten Pflichtenverstoß handelt. Lässt die Begründung der Ermessensentscheidung keinerlei einzelfallbezogene Ermessensausübung erkennen, so ist der Sanktionsbescheid rechtswidrig.
Tenor
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 06.10.2014 gegen den Sanktionsbescheid des Antragsgegners vom 24.09.2014 wird angeordnet.
Der Antragsgegner trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin.
Der Antragstellerin wird für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt B als Prozessbevollmächtigter beigeordnet.
Gründe
I. Die 1994 geborene, schwangere Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs gegen einen Sanktionsbescheid.
Der Antragsgegner stellte mit Bescheid vom 24.09.2014 einen vollständigen Wegfall des Arbeitslosengeldes II (ALG II) der Antragstellerin im Zeitraum 01.10.2014 bis 31.12.2014 fest. Hinsichtlich einer möglichen Verkürzung des Sanktionszeitraumes auf sechs Wochen führte er dabei lediglich aus, eine solche sei “nach Abwägung der in Ihrem Fall vorliegenden Umstände mit den Interessen der Allgemeinheit nicht gerechtfertigt„.
Gegen diesen Bescheid hat die Antragstellerin unter dem 06.10.2014 Widerspruch erhoben.
Die Antragstellerin hat am 23.10.2014 beim erkennenden Gericht um entsprechenden Eilrechtsschutz nachgesucht und beantragt,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 06.10.2014 gegen den Sanktionsbescheid des Antragsgegners vom 24.09.2014 anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie den sonstigen Inhalt der Verfahrensakten Bezug genommen, die der gerichtlichen Entscheidungsfindung zugrunde gelegen haben.
II. Der zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist begründet.
Nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Nach § 86a Abs. 1 S. 1 SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung entfällt jedoch in bestimmten, gesetzlich angeordneten Fällen, (vgl. etwa § 86a Abs. 2 SGG). Das Gericht entscheidet in den Fällen des § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG aufgrund einer Interessenabwägung nach pflichtgemäßem Ermessen. Dabei sind im Rahmen einer summarischen Prüfung das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug und das private Interesse an der Aussetzung der sofortigen Vollziehung und die Sach- und Rechtslage in der Hauptsache zu berücksichtigen. Bei der gebotenen umfassenden Abwägung zwischen Vollziehungs- und Aussetzungsinteresse kommt den Erfolgsaussichten in der Hauptsache wesentliche Bedeutung zu. Ist der im Hauptsacheverfahren angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig, überwiegt das Aussetzungsinteresse und dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ist stattzugeben. Lässt sich dagegen ohne Weiteres erkennen, dass der angefochtene Verwaltungsakt rechtmäßig ist, ist ein überwiegendes Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit anzunehmen; das Vollzugsinteresse überwiegt und der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ist abzulehnen. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen, ist im Rahmen der dann erforderlichen Abwägung der konkret betroffenen Interessen (außer im Fall des § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG) grundsätzlich vom gesetzlich statuierten Vorrang des Vollziehungsinteresses auszugehen, wobei in Fällen des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG zusätzlich die Wertungen des § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG zu berücksichtigen sind, wonach insbesondere auch dann eine Aussetzung der sofortigen Vollziehung in Betracht kommt, wenn ansonsten eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte bei der Vollziehung eintreten würde. Das Vorliegen eines Anordnungsgrundes ist nicht erforderlich. (Vgl. insgesamt Keller in Meyer-Ladewig, § 86b SGG, Rn. 12 ff.).
Vorliegend ist der im Hauptsacheverfahren angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig, so dass die aufschiebende...