Leitsatz (amtlich)

Hilfebedürftige, die rechtswidrig einer Arbeitsgelegenheit gegen Mehraufwandsentschädigung zugewiesen wurden (sog. "Ein-Euro-Job"), haben zumindest dann keinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gegen den Grundsicherungsträger auf Zahlung des Tariflohns, wenn die Arbeiten nicht bei dem Leistungsträger selber durchgeführt wurden.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 22.08.2013; Aktenzeichen B 14 AS 75/12 R)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die 1962 geborene Klägerin ist gelernte Bürokauffrau. Sie beansprucht die Auszahlung einer Gehaltsdifferenz, nachdem sie eine Arbeitsgelegenheit gegen Mehraufwandsentschädigung wahrgenommen hat. Sie bezieht von der Beklagten seit dem 01.01.2005 laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB II).

Mit Schreiben vom 31.10.2008 wurde die Klägerin nach vorheriger Absprache für den Zeitraum 03.11.2008 bis 31.01.2009 in eine Beschäftigung "nach § 16 Abs. 3 SGB II" zugewiesen. Einsatzstelle sollte "Radio XX" sein. Die Art der Tätigkeit wurde mit "Organisationskraft Disposition/Büro" beschrieben. Entsprechend der erfolgten Zuweisung nahm die Klägerin an der Maßnahme teil.

Mit Schreiben vom 06.03.2009 legte die Klägerin Widerspruch gegen die Zuweisung ein. Es handele sich um einen Bescheid, der "ex tunc" aufzuheben sei. Die Zuweisung sei rechtswidrig gewesen. Sie habe alleine dem Zweck gedient, dem Sender kostengünstig zu einer Arbeitskraft zu verhelfen. Bei ihrer Tätigkeit dort habe es sich um ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis gehandelt. Mit Schreiben vom 05.05.2009 stellte die Klägerin klar, dass sie ihrer Ansicht nach Anspruch auf eine Arbeitsvergütung habe, wie sie einem festangestellten Arbeitnehmer in ihrer Position zustehe. Tarifvertraglich stehe ihr ein Monatsgehalt in Höhe von 2.094,30 Euro zu. Der Gesamtbetrag in Höhe von 6.282,90 Euro sei an sie zu überweisen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 02.06.2009 verwarf die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unzulässig. Bei der Zuweisung habe es sich um keinen Verwaltungsakt gehandelt. Ein Widerspruch sei deswegen nicht zulässig.

Am 24.06.2009 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie hält daran fest, dass sie Anspruch auf eine "leistungsgerechte Bezahlung" habe. Der Anspruch ergebe sich nicht aus Arbeitsvertrag, sondern aus einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch.

Sie beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 6.282,90 Euro nebst Prozesszinsen zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, es fehle an einer Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch.

Das Gericht hat die Leistungsakte der Beklagten beigezogen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

Für den geltend gemachten Anspruch ist gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 4a Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet (vgl. auch BAG, Beschl. v. 08.11.2006 - 5 AZB 36/06 -, zit. n. juris sowie BAG, Urt. v. 14.01.1987 - 5 AZR 760/87 -, zit. n. juris). Die Klage ist als (reine) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG statthaft (so auch LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 11.08.2009 - L 13 AS 419/07 -, zit. n. juris).

Sie ist aber unbegründet, weil es an einer gesetzlichen Grundlage für den geltend gemachten Anspruch fehlt. In Betracht kommt alleine ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch, dessen Voraussetzungen hier aber nicht vorliegen.

Der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch ist ein aus allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts, insbesondere der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, abgeleitetes eigenständiges Rechtsinstitut des öffentlichen Rechts. Er verschafft dem Anspruchsinhaber ein Recht auf Herausgabe des Erlangten, wenn eine Leistung ohne Rechtsgrund oder eine sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebung erfolgt ist. Seine Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen entsprechen, soweit sie nicht spezialgesetzlich geregelt sind, denen des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs (vgl. nur BVerwGE 71, 85, 88; 87, 169, 172 sowie BSG, Urt. v. 28.10.2008 - B 8 SO 23/07 R -, zit. n. juris; BSG, Urt. v. 16.07.1974 - 1 RA 183/73 -, zit. n. juris).

Es kann letztlich dahinstehen, ob die Zuweisung in die Arbeitsgelegenheit ohne rechtlichen Grund erfolgte. Die Beteiligten sind bereits darauf hingewiesen worden, dass die Zuweisung nach Auffassung der Kammer grundsätzlich keinen Verwaltungsakt darstellt (str., so auch LSG Hamburg, Beschl. v. 08.03.2006 - L 5 B 34/05 ER -, zit. n. juris; offen lassend BSG, Urt. vom 16.12.2008 - B 4 AS 60/07 R -, zit. n. juris). Die "Aufhebung" der Zuweisung ist demnach keine Voraussetzung für die Geltendmachung eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs. Es bedarf an dieser Stelle aber auch keiner Entscheidung, ob die Durchführung der Arbeitsgelegenheit deshalb ohne rechtlichen Grund erfolgte, weil sie nicht den gesetzlichen Voraussetzungen entsprach und deshalb rechtswidrig w...

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