Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Bedarfsgemeinschaft. keine Zugehörigkeit des Ehegatten bei fehlender eigener Hilfebedürftigkeit. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
1. Nach dem Gesetzestext des § 7 Abs 2 S 1 SGB 2 erhalten Leistungen auch Personen, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Hauptzweck des § 7 Abs 2 S 1 SGB 2 ist damit die Leistungsgewährung an Hilfebedürftige. Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft kann daher nur derjenige sein, an den Leistungen nach dem SGB 2 erbracht werden können.
2. Ist ein Ehegatte gem § 7 Abs 4 SGB 2 vom Leistungsbezug nach dem SGB 2 ausgeschlossen, so kann er kein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft iS des § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst a SGB 2 sein.
3. Wenn § 7 Abs 3 Nr 4 SGB 2 sogar minderjährige unverheiratete Kinder eines erwerbsfähigen Hilfebedürftigen dann nicht zur Bedarfsgemeinschaft zählt, wenn sie sich aus eigenem Einkommen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beschaffen können, dann gehören Ehegatten, die über eigenes Einkommen verfügen und somit nicht selbst hilfebedürftig sind, ebenfalls nicht zur Bedarfsgemeinschaft.
4. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Auslegung bestehen nicht.
5. § 9 Abs 5 SGB 2 setzt eine Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten oder Verschwägerten voraus und ist daher auf eine Haushaltsgemeinschaft unter Ehegatten nicht anwendbar.
Nachgehend
Tenor
I. Die Beklagte wird in Abänderung der streitigen Bescheide verurteilt, den Arbeitslosengeld II-Anspruch der Klägerin mit der Maßgabe zu berechnen, dass aus dem Einkommen des Ehegatten der Klägerin nur der Teil berücksichtigt wird, den die Klägerin nach dem Unterhaltsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches von ihrem Ehegatten beanspruchen kann.
II. Die Beklagte hat der Klägerin deren notwendig entstandene außergerichtliche Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Die 1947 geborene Klägerin beantragte am 06.10.2004 die Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II.
Mit streitigem Bescheid vom 17.12.2004 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit der Begründung ab, sie sei aufgrund ihrer Einkommensverhältnisse nicht hilfebedürftig. Der Ehegatte der Klägerin beziehe eine Rente. Er könne mit dieser Rente seinen eigenen Bedarf decken. Das übersteigende Einkommen werde bei der Klägerin bedarfsmindernd berücksichtigt.
Dagegen legte die Klägerin am 28.12.2004 Widerspruch ein. Die Altersrente ihres Ehegatten könne nicht, wie von der Beklagten durchgeführt, angerechnet werden. Überdies leide ihr Ehegatte an mehreren chronischen Erkrankungen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14.04.2005 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Klägerin habe einen Gesamtbedarf von monatlich 443,16 €. Das Einkommen des Ehegatten der Klägerin betrage 970,45 € monatlich. Als eigener Bedarf des Ehegatten seien 524,16 € monatlich anzusetzen. Der Restbetrag aus dem Einkommen des Ehegatten der Klägerin in Höhe von 446,29 € sei bei der Klägerin zu berücksichtigen. Dieser Betrag von 446,29 € übersteige den Gesamtbedarf der Klägerin von 443,16 €, so dass mangels Hilfebedürftigkeit der Klägerin ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes bei der Klägerin nicht bestehe.
Dagegen hat die Klägerin am 26.04.2005 Klage erhoben. Für das Klageverfahren wurde das Aktenzeichen S 6 AS 260/05 verteilt.
Gleichzeitig wurde die Durchführung eines Eilverfahrens beantragt. Das Eilverfahren erhielt das Aktenzeichen S 6 AS 258/05 ER. Der Schriftverkehr wurde zunächst im ER-Verfahren weitergeführt.
Zur Begründung der Klage wies die Klägerin im Schriftsatz vom 27.04.2004 darauf hin, dass bei ihrem Ehegatten ein Betrag von 666,36 € monatlich anrechnungsfrei bleiben müsse.
Mit Schriftsatz vom 09.05.2005 wies die Beklagte darauf hin, dass der Ehegatte der Klägerin nicht zur Bedarfsgemeinschaft der Klägerin gehöre, da er wegen Vollendung des 65. Lebensjahres nicht selbst die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 SGB II erfülle. Leistungen an die Klägerin könnten jedoch nur erbracht werden, falls sie hilfebedürftig sei. Hierzu sei auch zu prüfen, ob die Hilfebedürftigkeit aus dem zu berücksichtigenden Partnereinkommen beseitigen werden könne (§ 9 Abs. 2 SGB II).
Mit Schreiben vom 11.05.2005 an die Beklagte bat das Gericht um Mitteilung, nach welchen Vorschriften denn der “eigene Bedarf des Ehepartners" der Klägers errechnet worden sei, wenn der Ehegatte der Klägerin nicht zur Bedarfsgemeinschaft der Klägerin zähle. Gegebenenfalls seien hierbei die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zum Ehegattenunterhalt heranzuziehen.
Mit Schriftsatz vom 19.05.2005 wies die Beklagte darauf hin, dass der Bedarf des Ehegatten der Klägerin nach § 42 SGB XII berechnet worden sei. Die Vorschriften des BGB zum Ehegattenunterhalt seien nicht anwendbar, denn dafür sei u.a. Vo...