Entscheidungsstichwort (Thema)
Private Kranken- und Pflegeversicherung. ALG II-Empfänger. Höhe des Zuschusses zu Versicherungsbeiträgen. analoge Anwendung des § 26 Abs 2 Nr 2 SGB 2. planwidrige Regelungslücke
Leitsatz (amtlich)
1. Die Deckungslücke in Kranken- und Pflegeversicherung bei ALG II-Empfängern ist durch eine analoge Anwendung des § 26 Abs 2 Nr 2 SGB 2 zu schließen.
2. Die Gesetzgebungsmaterialien belegen eine planwidrige Regelungslücke bei Erlass des GKV-WSG.
Orientierungssatz
Nichtzulassungsbeschwerde wurde beim Sächsischen Landessozialgericht unter dem Aktenzeichen L 2 AS 460/10 NZB eingelegt
Tenor
I. Der Bescheid der Beklagten vom 01.10.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13.01.2010 wird teilweise aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger im Zeitraum 13.08.2009 bis 31.01.2010 die Kosten der privaten Kranken- und Pflegeversicherung in tatsächlicher Höhe zu erstatten.
III. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand
Der Kläger begehrt zur Aufrechterhaltung seines privaten Kranken- und Pflegeversicherungsschutzes höhere Leistungen, um die Deckungslücke zwischen tatsächlichen Kosten für die private Kranken- und Pflegeversicherung und dem von der Antragsgegnerin gewährten Zuschuss schließen zu können.
Der 1971 geborene Kläger bezieht seit dem 13.08.2009 Leistungen nach dem SGB II. Unstreitig war er als Selbständiger am 12.08.2009 privat beim AA, Krankenversicherung a.G., kranken- und pflegeversichert. Der monatliche Beitragssatz für Kranken- und Pflegeversicherung belief sich im Kalenderjahr 2009 auf 194,89 € und ab dem 01.01.2010 auf monatlich 216,74 €.
Mit Bescheid vom 01.10.2009 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller gemäß § 26 SGB II einen Zuschuss zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von monatlich 142,11 €.
Der Kläger ist der Auffassung, er habe einen Anspruch auf eine vollständige Übernahme der von ihm zu zahlenden Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge. Die jetzige Situation, bei der zuvor privat Versicherte die ab dem 01.01.2009 Grundsicherung beziehen, nicht die vollen tatsächlich anfallenden Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge erstattet bekommen, sei vom Gesetzgeber so nicht beabsichtigt gewesen und stelle daher eine im Wege der Analogie zu schließende planwidrige Regelungslücke dar.
Der Kläger hat beantragt,
der Bescheid der Beklagten vom 01.10.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13.01.2010 wird teilweise aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger im Zeitraum 13.08.2009 bis 31.01.2010 die Kosten der privaten Kranken- und Pflegeversicherung in tatsächlicher Höhe zu erstatten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass angesichts des Gesetzeswortlautes dem Kläger kein Anspruch auf Zahlung eines höheren Zuschusses zusteht.
Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
I.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Übernahme der Kosten seiner privaten Kranken- und Pflegeversicherung im Zeitraum 13.08.2009 bis 31.01.2010 in tatsächlicher Höhe gemäß § 26 Abs. 2 Nr. 2 SGB II analog.
1. Die Beklagte hat den dem Kläger im Bescheid vom 01.10.2009 bewilligten Zuschuss zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung unter zutreffender Anwendung der formal gesetzlichen Vorschriften ermittelt.
Der Kläger unterfällt gemäß § 5 Abs. 5 a SGB V nicht der allgemeinen Versicherungspflicht, da er vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II am 12.08.2009 privat krankenversichert war.
Unter Anwendung von § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 12 Abs. 1 c Satz 6 zweiter Halbsatz Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) bewilligte die Beklagte lediglich einen Zuschuss, der der Höhe des Beitrages von Beziehern von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht. Dieser betrug im Jahr 2009 monatlich 124,32 € (vgl. zur Berechnungsweise eingehend: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 26.02.2010, Az.: L 15 AS 26/10 B ER, Rdnr. 17 - Juris).
Der Anspruch auf Übernahme der Beiträge zur privaten Pflegeversicherung ergibt sich aus § 26 Abs. 3 Satz 1 SGB II. Danach werden für Bezieher von Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld, die in der sozialen Pflegeversicherung nicht versicherungspflichtig und nicht familienversichert sind, für die Dauer des Leistungsbezugs die Aufwendungen für eine angemessene private Pflegeversicherung im notwendigen Umfang übernommen. Da der Kläger in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungsfrei ist, besteht für die Zeit des Leistungsbezugs auch keine Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung, § 20 Abs. 1 S 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung - (SGB XI). Nach § 26 Abs. 3 S. 1 SGB II werden dabei die Aufwendungen für eine angemessene private Pflegeversicherung im notwendigen Umfang übernommen. In Anwendung von § 110 Abs....