Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Sanktion. Pflichtverletzung. Nichtantritt einer zumutbaren Maßnahme. Anforderungen an die Maßnahmezuweisung

 

Orientierungssatz

Aus der Maßnahmezuweisung muss für den Leistungsempfänger nach seinem Empfängerhorizont klar erkennbar und nachvollziehbar sein, was von ihm gefordert wird. Die Maßnahme muss näher beschrieben werden, damit die Zumutbarkeit im konkreten Einzelfall bewertet werden kann (vgl LSG Berlin-Potsdam vom 27.7.2016 - L 25 AS 1511/16 B ER).

 

Tenor

1. Der Bescheid vom 19. Januar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Februar 2018 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Klageverfahren über die Rechtmäßigkeit einer Sanktion im Rahmen der Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II).

Der 1977 geborene Kläger bezieht seit dem 1. Januar 2005 Leistungen des Beklagten. Mit Maßnahmeangebot vom 5. Dezember 2017 verpflichtete der Beklagte den Kläger zur Teilnahme an der Maßnahme „IdP - Integration durch Praxis U+Ü 25“ zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung. Maßnahmebeginn sollte der 11. Dezember 2017 sein.

Am 11. Dezember 2017 sprach der Kläger beim Maßnahmeträger vor und wollte erfahren, welche Inhalte diese Maßnahme hätte. Die vorgelegte Vereinbarung, die zwischen ihm und dem Maßnahmeträger geschlossen werden sollte, unterschrieb er nicht. Seiner Meinung nach ergaben sich zu viele Widersprüche daraus. Er ließ sich seine Vorsprache schriftlich bestätigen und sprach danach beim Beklagten vor. Eine Mitarbeiterin übergab ihm den auf den 5. Dezember 2017 datierten, nicht unterschriebenen, die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Eingliederungs-verwaltungsakt, mit dem er ebenfalls zur Teilnahme an der Maßnahme verpflichtet wurde.

Der Maßnahmeträger meldete dem Beklagten die Nichtteilnahme des Klägers, woraufhin der Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 14. Dezember 2017 zum Eintritt einer möglichen Sanktion anhörte. Der Kläger stellte die Situation im Schreiben vom 15. Dezember 2017 aus seiner Sicht dar. Er schilderte ausführlich, warum er die Maßnahme nicht antreten habe können. So teilte er unter anderem mit, in der Vereinbarung für Dinge zu unterschreiben zu sollen, von denen er keine Kenntnis hätte (unter anderem Brandschutzordnung, Infektionsschutz, Hausordnung, Unterrichts-zeiten) und begehrte zu wissen, was Inhalt der Maßnahme sei. Der Flyer des Maßnahmeträgers sei unbestimmt, das Maßnahmeangebot des Beklagten enthielte überhaupt keine Aussagen dazu. Die Verwendung unterschiedlicher Begriffe (Vollzeit, Teilzeit) sei verwirrend. Zudem seien die Erfolgsaussichten der Maßnahme nach eigenen Recherchen des Klägers schlecht. Er selbst empfinde diese daher als sinnlos.

Daraufhin erließ der Beklagten den Bescheid vom 19. Januar 2019, mit dem er den Leistungsanspruch des Klägers unter Anwendung der §§ 31 Abs. 1 Nr. 3, 31 a Abs. 1, 31 b SGB II und § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X - für die Zeit vom 1. Februar 2018 bis 30. April 2018 teilweise aufhob und in Höhe von 122,70 EUR monatlich minderte. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies er mit Widerspruchsbescheid vom 27. Februar 2018 als unbegründet zurück.

Hiergegen hat der Kläger unter dem 26. März 2018 Klage zum Sozialgericht Cottbus erhoben. Er begehrt die Aufhebung des beklagten Bescheides.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 19. Januar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides  vom 27. Februar 2018 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Bescheid erweise sich als rechtmäßig. Insbesondere sei die Maßnahme zumutbar gewesen, der Kläger sei langzeitarbeitslos und müsse durch ein niedrigschwelliges Angebot an die berufliche Integration herangeführt werden.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Bescheid des Beklagten vom 19. Januar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Februar 2018 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

Gemäß § 31 a Abs. 1 Satz 1 SGB II mindert sich bei einer Pflichtverletzung nach § 31 das Arbeitslosengeld II in einer ersten Stufe um 30 Prozent des für die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs. Gemäß § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II verletzen erwerbsfähige Leistungsberechtigte ihre Pflichten, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit nicht antreten, abbrechen oder Anlass für deren Abbruch gegeben haben.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Es fehlt an einer zumutbaren Maßnahme. Für den Leistungsempfänger muss aus der Maßnahmezuweisung nach seinem Empfängerhorizont klar erkennbar und nachvollziehbar sein, was von ihm geforder...

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