Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Statthaftigkeit der Anfechtungsklage. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Aufforderung zur Rentenantragstellung. Verwaltungsakt. keine Erledigung durch eigene Antragstellung des Grundsicherungsträgers. Rechtswidrigkeit. kein Folgenbeseitigungsanspruch. kein Vollzug des Verwaltungsakts. keine Ersatzvornahme. Unzulässigkeit eines Antrags auf Rücknahme der Antragstellung des Grundsicherungsträgers. Zulässigkeit eines Feststellungsantrags. Rechtswidrigkeit der Antragstellung. fehlende Ermessensausübung
Leitsatz (amtlich)
1. Sowohl die Aufforderung zur Beantragung vorrangiger Sozialleistungen (hier Altersrente) als auch die eigene Antragstellung durch den Grundsicherungsträger bedürfen einer Ermessensausübung. Die Aufforderung zur Beantragung einer vorrangigen Sozialleistung ist ein Verwaltungsakt.
2. Die Aufforderung zur persönlichen Beantragung vorrangiger Sozialleistungen (hier Altersrente) erledigt sich nicht durch die eigene Antragstellung durch den Grundsicherungsträger. Die Anfechtungsklage bleibt daher statthaft.
3. Die Aufforderung zur persönlichen Beantragung vorrangiger Sozialleistungen (hier Altersrente) wird durch die eigene Antragstellung durch den Grundsicherungsträger nicht vollzogen. Die eigene Antragstellung ist insbesondere keine Ersatzvornahme iS des Vollstreckungsrechts.
4. Die eigene Antragstellung durch den Grundsicherungsträger ist nicht iS eines Folgenbeseitigungsanspruches zurückzunehmen.
5. Der eigene Antrag des Grundsicherungsträgers kann auch durch den Hilfeempfänger selbst jederzeit noch zurückgenommen werden, er hat aber trotzdem ein Interesse zur Feststellung der Rechtswidrigkeit der eigenen Antragstellung des Grundsicherungsträgers.
Tenor
I. Der Bescheid vom 26. Juni 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juli 2013 wird aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Beklagte zur eigenen Rentenantragsstellung gegenüber dem beigeladenen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung nicht befugt war.
II. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer Aufforderung des Beklagten an den Kläger Altersrente bei der Beigeladenen zu beantragen und über die Rechtmäßigkeit einer erfolgten eigenen Antragsstellung des Beklagten für den Kläger bei der Beigeladenen.
Der 1951 geborene Kläger wurde mit Bescheid vom 26. Juni 2013 aufgefordert Altersrente bei der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg zu beantragen. Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juli 2013 zurückgewiesen. Der Kläger beantragte die Rente nicht. Der Beklagte stellte daher mit Schreiben vom 12. Juli 2013 einen eigenen Antrag bei der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg. Diese leitete den Antrag zuständigkeitshalber an die Beigeladene weiter. Über den Rentenantrag ist noch nicht entschieden.
Mit seiner am 16. August 2013 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Aufhebungsbegehren weiter. Er ist ferner der Auffassung, dass der Beklagte zur Rücknahme des für den Kläger gestellten Rentenantrages im Sinne eines Folgenbeseitigungsanspruches zu verurteilen wäre.
Der Bevollmächtigte des Klägers beantragt sinngemäß:
Der Bescheid vom 26. Juni 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juli 2013 wird aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Beklagte zur eigenen Rentenantragsstellung gegenüber dem beigeladenen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung nicht befugt war.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte verweist hierzu im Wesentlichen auf die streitgegenständlichen Entscheidungen.
Die Beigeladene stellt keinen eigenen Antrag.
Die Beteiligten erklärten sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen, die bei der Entscheidungsfindung Berücksichtigung gefunden haben.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klage ist zulässig. Die Kammer konnte nach § 124 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten ihr Einverständnis hierzu erteilt haben.
II.
a)
Bezüglich des Bescheides vom 26. Juni 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juli 2013 ist die erhobene Anfechtungsklage zulässig und begründet. Die richtige Klageart ist auch die Anfechtungsklage. Zunächst handelt es sich bei der Aufforderung zur eigenen Rentenantragsstellung um einen Verwaltungsakt. Die Aufforderung zur Rentenantragsstellung beinhaltet eine hoheitliche Regelung des Einzelfalles durch eine Behörde und hat Außenwirkung (vgl. hierzu § 31 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X); so auch SG Hannover S 68 AS1296/12; i.E. auch LSG NRW L 19 B 371/09 ER). Insbesondere liegt kein Fall eines bloßen vorbereitenden Verwaltungshandelns vor (vgl. hierzu von Wulffen SGB X, 7. Aufl. § 31 Rn 27 und Eicher SGB II, 3. Aufl. § 5 Rn 32), denn die...