Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Zulässigkeit der Anfechtungsklage. Aufhebung. vorläufige Bewilligung. gerichtliche Überprüfbarkeit. Einkommensberücksichtigung. Umwelt- bzw Abwrackprämie als zweckbestimmte Einnahme. Gerechtfertigkeitsprüfung. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Frage der Zulässigkeit einer Anfechtungsklage gegen einen, eine vorläufige Bewilligung, aufhebenden Bescheid und der daraus folgenden gerichtlichen Überprüfungskompetenz.
2. Zur Frage der Anrechenbarkeit der Umweltprämie (Abwrackprämie) auf die Leistungen nach dem SGB 2.
3. Zur Frage der Gerechtfertigkeit von Leistungen nach dem SGB 2 bei Bezug der Umweltprämie (Abwrackprämie).
4. Der Bezug der Umweltprämie ist mit dem Bezug der Eigenheimzulage vergleichbar. Es besteht aber keine verfassungsrechtliche Notwendigkeit (Art 13 GG) die Eigenheimzulage anders zu behandeln als die Anschaffung eines Personenkraftwagens.
Tenor
I. Der Bescheid vom 15. Juli 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. September 2009 wird aufgehoben.
II. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
III. Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Anrechnung der so genannten “Umwelt- und Abwrackprämie„ auf die Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) und einer damit verbundenen Änderung von Leistungsbewilligungen für den Zeitraum 01. August 2009 bis 31. Dezember 2009.
Die am xx.xx.1980 geborene Klägerin lebt mit ihrem Ehemann und dem im Jahr 2006 geborenen gemeinsamen Kind in einem Haushalt. Der Ehemann der Klägerin ist selbständiger Versicherungsmakler. Die Klägerin und die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen erhielten zuletzt mit Bescheid vom 11. Juni 2009 ergänzende Leistungen nach dem SGB II für den streitgegenständlichen Zeitraum bewilligt. Der Bescheid enthielt den Zusatz, dass die Bewilligung der Leistungen vorläufig erginge. Der Bescheid enthielt den weiteren Zusatz, dass wegen der selbständigen Tätigkeit des Ehemannes der Klägerin die Leistungen nur vorläufig bewilligt werden können. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bewilligungsbescheid verwiesen. Auch die vorangegangenen Bewilligungsbescheide ergingen mit dem Zusatz der Vorläufigkeit. Auch diese wurden mit der selbständigen Tätigkeit des Ehemannes der Klägerin begründet.
Unter dem 13. Februar 2009 schloss die Klägerin einen Kaufvertrag über einen PKW Kia Ceed 1.4 LX. Ihren alten PKW (Mitsubishi Lancer; BJ. 1993) ließ die Klägerin verschrotten. Mit Bescheid vom 02. April 2009 wurde der Klägerin die Auszahlung einer Prämie (im folgenden Umweltprämie) nach der Richtlinie zur Förderung des Absatzes von Personenkraftwagen (im Folgenden nur RiLi) von dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) zuerkannt.
Der von der Klägerin erworbene Neuwagen hat einen Kaufwert in Höhe von 13.380.- Euro. Gebrauchtwagenpreise für einen PKW Kia Ceed 1.4 LX sind nicht ermittelbar. Die einschlägigen Stellen (DAT, Schwacke, ADAC) verwiesen bis zum Tag der mündlichen Verhandlung darauf, dass für den Typ Kia Ceed Bj. 2009 derzeit noch kein Gebrauchtwagenmarkt existiere.
Mit Bescheid vom 15. Juli 2009 änderte die Beklagte die Höhe der vorläufig bewilligten Leistungen für den streitgegenständlichen Zeitraum. Die Beklagte begründet dies mit der Erzielung von Einkommen durch die Zuwendung von 2.500,- Euro Umweltprämie durch das BAFA.
Der gegen die Änderung gerichtete Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 18. September 2009 zurückgewiesen.
Mit ihrer am 08. Oktober 2009 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren, den Änderungsbescheid aufheben zu lassen, weiter. Sie ist der Auffassung, ihr stünden ungekürzte Leistungen, wie bereits mit den vorläufigen Bewilligungsbescheiden gewährt, zu. Sie ist der Meinung, die Umweltprämie dürfe nicht als Einkommen angerechnet werden. Es handele sich viel eher um eine zweckbestimmte Einnahme. Sie behauptet, die Finanzierung des PKW Kia Ceed durch Verkäufe von Lebensversicherungen und private Darlehen ermöglicht zu haben. Die Klägerin begehrt ausdrücklich die Wiederherstellung des Bewilligungszustandes vor der Änderung mit Bescheid vom 15. Juli 2009. Sie ist ausdrücklich nicht der Auffassung, dass ihr endgültige Leistungen zustünden. Sie möchte die ihr vorläufig bewilligten Leistungen, ohne Anrechnung der Umweltprämie, weiterhin vorläufig erhalten.
Die Klägerin beantragt:
Den Bescheid der Beklagten vom 15. Juli 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. September 2009 aufzuheben.
Hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, die der Klägerin vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle mit Zuwendungsbescheid vom 02. April 2009 für die Verschrottung des Altfahrzeuges mit der Kfz Idnet-Nr. JMBLNC66APU504547 und den Erwerb des Neufahrzeuges mit der Kfz Ident-Nr. U5YFF24129L138874 gezahlten Zuschuss in Höhe von 2.500,- Euro als Einkommen auf die L...