Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankengeldanspruch. Begriff der Arbeitsunfähigkeit. Rechtsbegriff. Attest mit Bedeutung eines medizinischen Gutachtens

 

Orientierungssatz

1. Der Begriff der Arbeitsunfähigkeit stellt sich als ein Rechtsbegriff dar, dessen Voraussetzungen anhand ärztlich erhobener Befunde allein von den Krankenkassen und im Rechtsstreit von den Gerichten festzustellen ist.

2. Dem Attest mit der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit kommt dabei lediglich die Bedeutung eines medizinischen Gutachtens zu.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über einen Krankengeldanspruch der Klägerin über den 10.02.2020 hinaus.

Die 1957 geborene Klägerin ist bei der Beklagten als Bezieherin von Arbeitslosengeld gesetzlich krankenversichert.

Im Zeitraum ab 28.02.2019 war der Klägerin durch ihre (verschiedenen) behandelnden Orthopäden wegen einer Verletzung sonstiger und nicht näher bezeichneter Muskeln und Sehnen in Höhe des Oberschenkels, Vorhandensein einer Hüftgelenksprothese sowie sonstigen näher bezeichnete Muskelkrankheiten mit Unterbrechungen Arbeitsunfähigkeit bescheinigt worden. Ab dem 15.05.2019 stellten die (verschiedenen) behandelnden Hausärzte der Klägerin - teilweise zusätzlich für die seitens des Orthopäden bescheinigten Arbeitsunfähigkeitszeiten - eine Arbeitsunfähigkeit wegen einer leichtgradig depressiven Episode, Nierensteinen, Schmerzen im Bereich des Oberbauches, essentieller Hypertonie sowie Burnout fest. Auf die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen auf Blatt 1 bis 112 der Behördenakte wird verwiesen. Die Beklagte zahlte der Klägerin nach Auslaufen ihres Leistungsanspruchs auf Arbeitslosengeld I ab dem 20.03.2019 Krankengeld i.H.v. 74,10 Euro (brutto).

Die Beklagte lehnte nach Einholung mehrerer medizinischer Fallberatungen und Gutachten durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Hessen (MDK Hessen) eine Weiterzahlung von Krankengeld mehrmals ab, hob ihre Entscheidung jedoch nach Einschaltung des MDK Hessen mehrmals auf, nachdem ärztlicherseits eine unzureichend eingestellte Hypertonie bescheinigt wurde.

Nach erneuter Beauftragung durch die Beklagte stellte MDK Hessen mit Gutachten nach Aktenlage vom 04.02.2020 fest, dass inzwischen unter laufender Medikation von einer ausreichenden Blutdruckeinstellung auszugehen sei; eine Nierenarterienstenose als Ursache der sekundären Hypertonie habe ausgeschlossen werden können. Die Klägerin sei daher auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für leichte Tätigkeiten ab sofort vollschichtig leistungsfähig.

Mit Bescheid vom 06.02.2020 teilte die Beklagte der Klägerin gestützt auf die Beurteilung des MDK Hessen mit, dass Krankengeld noch bis zum 10.02.2020 gezahlt würde.

Hiergegen wandte sich die Klägerin mit Widerspruch vom 02.03.2020 und führte zur Begründung aus, dass sie weiterhin unter einer uneinstellbaren Hypertonie, begleitet von Schwindel und Herzrasen leide. Zudem habe sie stechende Schmerzen an der rechten Flanke/Niere, begleitet von heftigen Rückenschmerzen. Aufgrund der anhaltenden Medikation sei sie nicht konzentrationsfähig und könne selbst leichte Tätigkeiten nicht ausüben. Zudem bringe eine ernste psychische Erkrankung ihres Sohnes weitere Belastungen mit sich, mit Erschöpfungszuständen und Anzeichen von Burn-Out.

Die Beklagte befragte daraufhin die behandelnden Ärzte der Klägerin. Die Hausärztin Frau M. gab in dem Bericht über das Fortbestehen von Arbeitsunfähigkeit an, dass eine Arbeitsfähigkeit voraussichtlich ab dem 09.03.2020 bestehe. Ihres Erachtens bestehe eine mangelnde Compliance; die Medikamenteneinnahme sei fraglich. Der Hausarzt Dr. H. gab in dem Bericht über das Fortbestehen von Arbeitsunfähigkeit an, dass eine Arbeitsfähigkeit voraussichtlich ab dem 15.05.2020 bestehe.

Die Klägerin meldete sich ab dem 16.05.2020 wieder arbeitssuchend.

Im Auftrag der Beklagten erstellte der MDK Hessen unter dem 09.06.2020 ein weiteres Gutachten nach Aktenlage. Der MDK kam zu dem Ergebnis, dass lediglich im Oktober 2019 und Januar 2020 erhöhte Blutdruckwerte gemessen worden seien, fachärztliche Befunde oder Blutdruckwerte jedoch nicht vorgelegt worden seien. Eine weitere Arbeitsunfähigkeit könne daher nicht nachvollzogen werden.

Hierüber informierte die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 15.06.2020, welche den Widerspruch aufrechterhielt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.11.2020 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

Am 17.11.2020 hat die Klägerin hiergegen Klage vor dem Sozialgericht Darmstadt erhoben.

Zur Begründung wiederholt sie im Kern ihr Vorbringen aus dem Widerspruchverfahren.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 06.02.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.11.2020 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Krankengeld über den 10.02.2020 hinaus bis zum 15.05.2020 im gesetzlichen Umfang zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung aus den Grü...

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