Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch des übergewichtigen Versicherten auf eine chirurgische Magenbypass-Operation

 

Orientierungssatz

1. Der Anspruch des übergewichtigen Versicherten auf Einsatz eines Magenbypasses hängt von dem Vorliegen folgender Voraussetzungen ab: es muss ein Body-Mass-Index von mindestens 40 bestehen, die konservativen Behandlungsmöglichkeiten müssen erschöpft sein, es muss eine ausreichende Motivation zur Gewichtsreduzierung vorhanden sein, keine psychische Erkrankung darf den Erfolg der Maßnahme gefährden und die Möglichkeit einer lebenslangen medizinischen Nachbetreuung muss sichergestellt sein.

2. Eine chirurgische Therapie kann auch ohne eine präoperative konservative Therapie durchgeführt werden, wenn die konservative Therapie ohne Aussicht auf Erfolg ist oder der Gesundheitszustand des Versicherten keinen Aufschub eines operativen Eingriffs zur Besserung durch Gewichtsreduktion erlaubt.

 

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 25. Mai 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Januar 2014 wird aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger eine minimalinvasive adipositas-chirurgische Maßnahme in Form eines Magenbypasses im zugelassenen Krankenhaus zu gewähren.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Kostenübernahme einer minimalinvasiven adipositas-chirurgischen Maßnahme in Form eines Magenbypasses als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung.

Der inzwischen 59-jährige Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert und leidet - seinen eigenen Angaben nach - bereits seit seinem 8. Lebensjahr an Übergewicht sowie seit dem 20. Lebensjahr an einer morbiden Adipositas. Im Juni 2012 stellte er bei der Beklagten Antrag auf operative Behandlung des Übergewichtes, zuletzt in Form eines Magenbypasses. Dabei stützte er sich auf den Bericht des Evangelischen Krankenhauses H. in D-Stadt (20.06.2012). Die Bitte der Beklagten sowie des von ihr eingeschalteten MDK zur Vorlage weiterer Unterlagen verzögerte sich in der Folgezeit, weil sich der Kläger Ende August 2012 zunächst einer Kniegelenks-Operation hatte unterziehen müssen, bei der ihm - nach Aussage seines Hausarztes erfolgreich - ein künstliches Kniegelenk links implantiert worden war (Entlassungsbericht M. Z. vom 01.10.2012). Nach Auswertung der weiteren Unterlagen (Krankenhaus S. vom 18.12.2012 und 30.01.2013; Nervenärztin Dr. X. vom 04.02.2013; Internistin und Diabetologin F. vom 04.03.2013, Ernährungsberaterin S. vom 18.04.2013) durch die beratende Ärztin des MDK, Frau Dr. I. vom 17.05.2013, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 25.05.2013 eine Kostenübernahme im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass das geforderte konservative Behandlungsregime im Falle des Klägers noch nicht erfüllt sei und deshalb die als “ultimo ratio" zu verstehende chirurgische Behandlung der Adipositas (noch) nicht in Frage komme.

Den auf die sogenannte S-3-Leitlinie Chirurgie der Adipositas gestützten Widerspruch wies die Beklagte nach nochmaliger Stellungnahme des MDK (Ärztin Dr. B.-J. am 23.08.2013) schließlich mit Bescheid vom 29.01.2014 als unbegründet zurück.

Hiergegen richtet sich die am 25.02.2014 beim hiesigen Gericht eingegangene Klage, mit der der Kläger im Wesentlichen geltend macht, dass Versicherte, die an einem krankhaften Übergewicht leiden, von ihrer gesetzlichen Krankenversicherung die Kostenübernahme für eine Magenoperation zur Gewichtsreduktion jedenfalls dann verlangen könnten, wenn ihr Bodymaß-Index über 40 Punkten liege. Denn nach der "S-3- Richtlinie Chirurgie der Adipositas" sei es angemessen, wenigstens in den Sonderfällen, in denen der BMI im oberen Bereich liege und den Wert von 40 deutlich überschreite oder zumindest erreiche, eine Magenverkleinerungs-Operation selbst dann zu bewilligen, wenn die glaubhaften und ernsthaften eigeninitiativen Bemühungen des Versicherten zur Gewichtsreduktion nicht den strengen Vorgaben zu einem sechs- bis zwölfmonatigen multimodalen und ärztlich geleiteten Therapiekonzept entsprächen. Angesichts des beim Kläger bestehenden BMI von über 50 Punkten sowie dem Vorliegen eines adipositasassoziierten Diabetes mellitus vom Typ 2, bestehe zwingend eine Operationsindikation, weil die konservative Therapie ohne Aussicht auf Erfolg sei. Dies gelte erst recht unter der aktuellen S-3-Leitlinie "Therapie und Prävention der Adipositas 2014", wonach eine präoperative konservative Therapie vor einem chirurgischen Eingriff zur Magenminimierung dann für entbehrlich gehalten wird, wenn der Body- Maß-Index über 50 Punkten liege.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 25. Mai 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Januar 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine minimalinvasive adipositas-chirurgische Maßnahme in Form eines Magenbypasses zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie vertritt, gestützt auf die Stellungnahme der med. Beraterinnen Dr. I. und Dr. B.-J. die Auffassung, dass nach wi...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge