Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Krankenversicherung: Voraussetzung der Kostenübernahme für eine Magenverkleinerung als Maßnahme zur dauerhaften Gewichtsreduzierung. Kostenübernahmepflicht ohne vorheriges ärztlich betreutes Therapiekonzept
Orientierungssatz
Eine gesetzliche Krankenkasse muss die Kosten für eine operative Magenverkleinerung als Maßnahme zur dauerhaften Gewichtsreduzierung ausnahmsweise auch dann ohne ein zuvor erfolglos versuchtes sechs- bis zwölfmonatiges ärztlich begleitetes bzw. überwachtes Therapiekonzept zur Gewichtsreduzierung übernehmen, wenn der Betroffene an einem besonders hohen Übergewicht leidet (hier: BMI von 45) und zuvor ernsthafte eigeninitiative Bemühungen zur Gewichtsabnahme unternommen hat.
Tenor
1. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 25.07.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.10.2013 verurteilt, an die Klägerin 11.103,05 € zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Kostenerstattung für eine Adipositas chirurgische Maßnahme (Magenbypass).
Die am 1988 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Am 27.03.2013 beantragte die Klägerin die Kostenübernahme für eine Operation zur Magenverkleinerung (Schlauchmagen) unter Vorlage eines Attests von Dr. S. (Hausarzt der Klägerin). Sie habe in den letzten 10 Jahren mehrere Versuche wie Abnehmkuren und Diäten unternommen, um ihr Gewicht zu reduzieren. Alle Versuche hätten nicht zu dem gewünschten Ergebnis geführt.
Ausweislich des Attests des Dr. S. wog die Klägerin zu diesem Zeitpunkt 120 kg bei einer Körpergröße von 163 cm (Bodymaßindex 45,16 kg pro qm). Die Klägerin litt zu diesem Zeitpunkt an chronischer Müdigkeit aufgrund von Schlaf Apnoe.
Mit Bescheid vom 25.07.2013 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) sei zu dem Ergebnis gekommen, dass die von der Klägerin bisher durchgeführten Maßnahmen der konservativen Behandlung der Adipositas nicht ausreichen würden, um die konservativen Behandlungsmöglichkeiten als ausgeschöpft anzusehen. Zu empfehlen sei die Durchführung eines mindestens 6 Monate dauernden multimodalen Behandlungskonzeptes, welches aus ärztlich begleiteter Ernährungs- und Bewegungstherapie sowie verhaltenstherapeutischem Training bestehe.
Hiergegen erhob die Klägerin am 20.08.2013 Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus, im Alter von 14 Jahren habe sie bereits eine 3 Monate dauernde Kur zur Gewichtsreduktion durchgeführt. Seither habe sie eine Vielzahl von Diäten mit Bewegungsprogramm durchgeführt, unter anderem Null-Diät, Atkins und Weight Watchers; alle hätten nur einen minimalen Gewichtsverlust erbracht. 2009 habe sie eine 12 Wochen dauernde Kur zur Gewichtsreduktion durchgeführt. In dieser Zeit hätte sie 8,8 kg abgenommen. Nach der Kur hätte sie das in der Kur erlernte für ½ Jahr fortgeführt. Ihr Gewicht hätte sich jedoch nicht weiter reduziert. Die Magenverkleinerung sehe sie als die letzte Möglichkeit an, ihr Gewicht dauerhaft zu reduzieren und zu halten. Wegen ihrer Adipositas könne sie sich selbst nicht mehr akzeptieren, habe Depressionen, gehe kaum noch vor die Tür und habe starke Rücken- und Knieschmerzen.
Am 23.09.2013 wurde bei der Klägerin eine Magenbypass-Operation durchgeführt.
Mit dem Widerspruchsbescheid vom 09.10.2013 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte die Beklagte aus, der MDK sei zu dem Ergebnis gekommen, dass die Notwendigkeit der beantragten Magen verkleinernden Operation nicht erkennbar sei, bislang keine protokollierte diätische Therapie, Bewegungstherapie sowie Psychotherapie nachgewiesen worden sei und eine Ernährungsberatung empfohlen werde. Selbst nach einer Schlauchmagenoperation sei eine dauerhafte Lebens- und Verhaltensänderung erforderlich.
Am 31.10.2013 hat die Klägerin hiergegen Klage erhoben. Zur Begründung trägt die Klägerin vor, sie hätte auf herkömmlichem Weg, d.h. ohne Adipositas Chirurgie nicht signifikant und nachhaltig an Gewicht verloren. Sowohl der Langzeiterfolg der chirurgischen Therapien als auch der langfristige Misserfolg der herkömmlichen Therapien sie nachgewiesen. Die S3-Leitlinie der Deutschen Adipositasgesellschaft sehe auch dann eine chirurgische Therapie der Adipositas als erforderlich an, wenn die konservative Therapie ohne Aussicht auf Erfolg sei. Ein solcher Ausnahmefall hätte bei der Klägerin vorgelegen. Zudem sei die Beklagte aber nach dem Eintritt der Genehmigungsfiktion mit allen Einwendungen ausgeschlossen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 25.07.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.10.2013 zu verurteilen, an die Klägerin 11.103,05 € zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist die Beklagte auf die angefochtenen Bescheide.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Einholung von Befundberichten von H., D...