Entscheidungsstichwort (Thema)
Befreiung von der Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung bei Änderung der Jahresarbeitsentgeltgrenze
Orientierungssatz
1. Nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB 5 wird auf Antrag von der Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung befreit, wer wegen der Änderung der Jahresarbeitsentgeltgrenze nach § 6 Abs. 6 S. 2 oder Abs. 7 SGB 5 versicherungspflichtig wird.
2. Die Dauer der Befreiungswirkung nach § 8 Abs. 1 SGB 5 ist auf die Dauer des Sachverhalts beschränkt, der das Befreiungsrecht begründet hat. Mit dem Auftreten eines neuen, den bisherigen Pflichtversicherungstatbestand ablösenden Pflichtversicherungstatbestandes erlischt die für einen alten Sachverhalt erteilte Befreiung. Die einmal erteilte Befreiung erledigt sich auch ohne aufhebenden oder zurücknehmenden Verwaltungsakt auf andere Weise.
3. Maßgeblicher Grund für die Befreiung ist das Vorliegen einer grundsätzlich nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB 5 versicherungspflichtigen entgeltlichen Beschäftigung, in deren Rahmen die Jahresarbeitsentgeltgrenze unterschritten wird und für die die ausgesprochene Befreiung wirkt.
4. Eine vom Arbeitgeber im Rahmen einer Betriebsprüfung und auf Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen geltend gemachte Befreiung von der Versicherungspflicht ist von dem Arbeitgeber nachzuweisen. Gelingt der Nachweis nicht, so geht dies nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu dessen Lasten.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Betriebsprüfungsverfahrens um eine Beitragsnachforderung zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 3.114,74 €.
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen, das unter anderen europaweite Eil- / Sonder- und Messetransporte zum Gegenstand hat. Der Beigeladene zu 1) ist vom 16.1.2012 bis zum 15.11.2012 für die Klägerin tätig gewesen. Sein Einkommen betrug insgesamt 17.597,40 €.
Die Beklagte führte bei der Klägerin in für die Zeit vom 1.1.2009 bis zum 31.12.2012 eine Betriebsprüfung durch. Dabei wurde hinsichtlich des Beigeladenen zu 1) festgestellt, dass keine Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für ihn abgeführt worden sind.
Mit Schreiben vom 22.10.2013 hörte die Beklagte dazu an, dass beabsichtigt ist, diese Beiträge nachzufordern und dafür eine Nachforderung in Höhe von 3.114,74 € festzusetzen. Der Beigeladene zu 1) sei als Beschäftigter gesetzlich kranken- und pflegeversichert. Ein Befreiungstatbestand liege nicht vor. Die Beigeladene zu 2) habe zwar 1994 im Rahmen einer anderen Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) eine Befreiung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB V ausgesprochen. Jedoch wies die Beklagte unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 25.5.2011 (Az. B 12 KR 9/09 R) darauf hin, dass sich diese Befreiung nur tatbestandsbezogen auf das jeweilige Versicherungspflichtverhältnis auswirke. Hier sei die Versicherungspflicht aufgrund abhängiger Beschäftigung aber gerade in der Zeit von November 2011 bis 15.1.2012 durch Arbeitslosigkeit unterbrochen worden, so dass sich die erteilte Befreiung erledigt habe.
Damit war die Klägerin nicht einverstanden. Es habe die "unwiderrufliche Befreiung" des Beigeladenen zu 1) durch die Beigeladenen zu 2) vom 28.2.1994 vorgelegen. Der Beigeladene zu 1) sei bei der E. privat kranken- und pflegeversichert. Außerdem habe im Januar 2012 das Steuerbüro der Klägerin auf eine Nachfrage bei der Beigeladenen zu 2) die Auskunft erhalten, dass Versicherungsfreiheit weiterhin bestehe. Das zitierte Urteil des Bundessozialgerichts könne nicht auf den vorliegenden Fall übertragen werden. Durch den Bescheid sei ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden. Es sei unbillig und unverhältnismäßig, die Klägerin in Anspruch zu nehmen.
Am 27.1.2014 erließ die Beklagte den angekündigten Bescheid. Die Beklagte stellte die Nachforderung in Höhe von 3.114,74 € fest. Die Versicherungspflicht bestehe kraft Gesetzes. Zwar habe die Beigeladene zu 2) dem Beigeladenen zu 1) im Jahre 1994 nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB V wegen einer eingetretenen Versicherungspflicht aufgrund der Erhöhung der Jahresarbeitsentgeltgrenze einen Befreiungsbescheid erteilt. Jedoch wirke dieser Bescheid nicht über das Ende des dem Beschied zugrunde liegenden Arbeitsverhältnisses hinaus. Bei dem Beigeladenen zu 1) sei die Beschäftigung in der Zeit von November 2011 bis 15.1.2012 durch Arbeitslosigkeit unterbrochen worden. Der Umstand einer bestehenden privaten Krankenversicherung des Beigeladenen zu 1) spiele keine Rolle. Eine telefonische Auskunft der Beigeladenen zu 2) gegenüber der Klägerin könne auch keinen Vertrauenstatbestand begründen.
Die Klägerin legte Widerspruch ein. Sie wiederholte ihre Ausführungen aus dem Anhörungsverfahren. Sie habe darauf vertrauen können, dass ein Widerruf der Befreiung des Beigeladenen zu 1) erfolgen müsse. Solange sei der Befreiungsbescheid noch wirksam. Bis auf die Zeit der Arbeitslosigkeit habe die Befreiung auc...