Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. haftungsbegründende Kausalität. Nachweis. wesentliche Bedingung. unfallbedingte Bandscheibenverletzung. Voraussetzung: Begleitverletzung. Anheben einer ca 20 kg schweren Kiste
Orientierungssatz
1. Zur Nichtanerkennung eines unfallbedingten Bandscheibenschadens (hier: Anheben einer 20 kg schweren Kiste) mangels Nachweises der haftungsbegründenden Kausalität.
2. Voraussetzung für unfallbedingte Bandscheibenverletzungen ist nach Schönberger/Mehrtens/Valentin das meist gleichzeitige Vorliegen mit Wirbelkörperfrakturen. Die Bandscheibenbeteiligung ist eine häufige Begleitverletzung des Wirbelkörperbruchs. Der isolierte Wirbelkörperbruch ist relativ selten. Ältere Lehrmeinungen über das Vorliegen isolierter traumatischer Bandscheibenvorfälle sind aufgrund moderner bildgebender Verfahren nicht zu halten.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung des Ereignisses vom 01. Mai 2010 als Arbeitsunfall nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII).
Die Klägerin ist 1976 geboren und war seit 01.08.2008 unbefristet bei der C. Filiale in der C-Straße in A-Stadt beschäftigt. Ausweislich des Arbeitsvertrages zwischen der Klägerin und C. vom 09.11.2007 war die Klägerin als Mitarbeiterin im Rotationssystem in Vollzeit eingesetzt. Die Kündigung erfolgte schließlich im Juni 2012.
Am 01. Mai 2010 war die Klägerin in einer C. Filiale in C-Stadt eingesetzt, als sie eine Kiste mit Colaflaschen anhob, die etwa 20 kg wog, um den Getränkeautomaten aufzufüllen.
Der Arbeitgeber der Klägerin zeigte am 14.07.2012 einen Unfall bei der Beklagten an und gab an, dass die Klägerin am 01. Mai 2010 gegen 18:00 Uhr ein Arbeitsunfall erlitten habe. Beigefügt war ein Schreiben der Klägerin vom 11. Juli 2012 an ihren Arbeitgeber, in welchem sie beschreibt, sie habe im Lager einen Karton mit Cola von unten nach oben bis zum Brustkorb und mit Drehen nach links gehoben. In diesem Moment habe sie Druck am Ende der Wirbelsäule gefühlt, sie habe sich gebogen und mindestens 3 Wirbelkörper seien vorgesprungen. Ab dem nächsten oder übernächsten Tag habe sie nicht mehr stehen können, ihr Kreuzbein sei zerrissen gewesen. Mit jeder Bewegung habe es links und rechts gewackelt, sie habe es nicht mehr kontrollieren können. Mit jeder Vorneigung und Drehung nach links oder rechts habe sich ihr rechtes Bein gezogen, sie könnte sterben (Rückseite Bl. 1 d. Verwaltungsakte).
Am 10.01.2013 leitete die Beklagte ein Verwaltungsverfahren im Hinblick auf das Vorliegen eines Arbeitsunfalles ein.
Zuvor hatte die Klägerin mit Schreiben vom 22.06.2012 bei der Beklagten bereits beantragt, ihren Bandscheibenvorfall L5/S1 seit 14. Mai 2010 als Berufskrankheit anzuerkennen (Bl. 7 d. Verwaltungsakte). Die Beklagte hatte Ermittlungen im Hinblick auf die Belastungen nach dem Mainz-Dortmunder Dosismodell eingeleitet (Bl. 8-44 d. Verwaltungsakte).
Auf Bl. 45 der Verwaltungsakte hielt Dr. D. in einer fachärztlichen Stellungnahme vom 13.09.2012 fest, die Versicherte sei 36 Jahre alt und nach der Dokumentation von 1997 - 2004 in Bulgarien tätig gewesen. Sie sei dort als Grünflächenmitarbeiterin, als Putzfrau sowie als Operator und Maschinenschreiberin tätig gewesen. Seit 2004 sei sie als Mitarbeiterin bei C. tätig. Es sei dokumentiert, dass die Versicherte wegen einer Lumbalgie mit Ausstrahlung in das rechte Bein behandlungsbedürftig wurde. Im Mai und Juli 2010 seien MRT-Untersuchungen erfolgt. Diese hätten eine beginnende Degeneration der Bandscheiben L4/L5 und eine Chondrose bei L5/S1 ergeben. Im Juli 2010 sei ein kleiner Prolaps mit Kontakt zur rechten S1-Wurzel beschrieben. Am 27.06.2012 sei ein globaler Bandscheibenvorfall bei L5/S1 operativ entfernt worden. Die Berufskrankheit nach der Ziffer 2108 könne nicht anerkannt werden, da die Expositionszeit lediglich 6 Jahre bis zum Vollbeweis des bandscheibenbedingten Leidens betragen habe. Die Anerkennung einer Berufskrankheit wurde von der Beklagten mit Bescheid vom 08.11.2012 abgelehnt (Bl. 46 der Verwaltungsakte).
Im Hinblick auf den angegebenen Unfall vom 01. Mai 2010 holte die Beklagte eine Stellungnahme bei dem behandelnden Orthopäden Dr. F. ein. Dr. F. teilte mit Schreiben vom 08.02.2013 mit, von einem Arbeitsunfall sei ihm nichts bekannt. Die Patientin habe sich am 14.05.2010 in seiner Sprechstunde vorgestellt und angegeben, seit 3 Wochen Kreuzschmerzen mit Ausstrahlung in das rechte Bein zu haben. Er habe eine Lumboischialgie rechts diagnostiziert (Bl. 60 d. Verwaltungsakte).
Mit Bescheid vom 24.04.2013 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 01. Mai 2010 als Arbeitsunfall ab. Zur Begründung führte sie aus, ein Unfall im Sinne des § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII habe nicht vorgelegen. Danach seien Unfälle zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder ...