Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. häusliche Krankenpflege. persönliches Budget. Zielvereinbarung für Leistungen der speziellen Krankenbeobachtung. Zweckentfremdung, da Fachkräfte für nächtliche Betreuung überhaupt nicht im Einsatz. fristlose Kündigung
Orientierungssatz
Zum Streit um die fristlose Kündigung der Zielvereinbarung eines persönlichen Budgets für spezielle Krankenbeobachtung im Rahmen häuslicher Krankenpflege, nachdem die Krankenkasse erfahren hatte, dass die beiden dort als Fachkräfte für den 8-stündigen nächtlichen Einsatz schriftlich vereinbarten Pflegepersonen überhaupt nicht im Einsatz waren.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die fristlose Kündigung der Zielvereinbarung eines persönlichen Budgets, nachdem die Beklagte erfahren hatte, dass die beiden dort als Fachkräfte für den 8-stündigen nächtlichen Einsatz zur Speziellen Krankenüberwachung schriftlich vereinbarten Pflegepersonen überhaupt nicht im Einsatz für die Klägerin waren.
Die minderjährige, durch ihre Eltern gesetzlich vertretene Klägerin ist über ihren Vater im Rahmen der Familienversicherung bei der Beklagten kranken- und pflegeversichert. Deswegen erhielt sie seitens der Beklagten im Zeitraum vom 01.07.2010 bis 31.12.2016 auch Leistungen der Pflegeversicherung in Form des Pflegegeldes nach Stufe III, das mit Wirkung zum 01.01.2017 in den Pflegegrad 4 umgewandelt wurde. Eine zumindest erhebliche Einschränkung der Alltagskompetenz konnte dagegen nicht festgestellt werden. Hintergrund ist eine pflegebegründende Muskeldystrophie sowie das Vorhandensein einer künstlichen Körperöffnung.
Am 08.08.2016 ging bei der Beklagten eine Verordnung über häusliche Krankenpflege des Kinder- und Jugendarztes Dr. med. D., D-Stadt vom 28.06.2016 ein, wonach die Klägerin aufgrund Muskeldystrophie und respiratorischer Partialinsuffizienz in der Zeit vom 01.07.2016 bis 31.12.2016 an insgesamt 184 Tagen (handschriftlich ergänzt: jede Nacht) Anleitung zur Behandlungspflege "KO, Maske/Beatmung, Nahrungszufuhr, Absaugen, inhalieren" und - ergänzt - "Entlüften des Magens, Umlagern, Krankenbeobachtung" sowie Grundpflege jede Nacht bei "Ausscheidungen, Ernährung und Körperpflege" benötige. Dabei beantragte der Vater über die Firma "E., B-Stadt" für die Klägerin ein persönliches Budget zur häuslichen Krankenpflege in seinem Haushalt und gab als Pflegedienst diese Firma an. Dabei sollten im Zeitraum vom 01.07. bis 31.12.2016 wegen Muskeldystrophie, multiplen Kontrakturen und non-invasive nächtliche Beatmung Leistungen im Sinne eines "Persönlichen Budget nach § 17 SGB IX" erbracht werden. Zur Begründung wurde angeführt, dass die Behandlungspflege mit einem Bedarf täglich von 8 Stunden pro Nacht nicht von einem Intensivpflegedienst übernommen werden solle, sondern mit eigens angestellten Assistenzkräften im Rahmen des persönlichen Budgets. Die Assistenzkräfte müssten natürlich die entsprechenden Schulungen an der Atemmaske erhalten, welche direkt vom Hersteller erfolgen könnte. Dabei sei anliegende Kostenkalkulation (monatlich 6.811,89 €) in Absprache mit dem zukünftigen Budgetnehmer verfasst worden.
Nach Auswertung des Pflegegutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK Hessen) vom 28.09.2016 und der Vorlage von (Pflege-)Zeugnissen/Zertifikaten von Frau F. F. und Herrn G. G. schlossen die Beklagte und der Vater der Klägerin als deren Vertreter am 02. bzw. 05.01.2017 die „Zielvereinbarung nach § 4 der Verordnung zur Durchführung des § 17 Abs. 2 bis 4 SGB IX (BudgetV)“, die - auszugsweise - folgende Reglungen umfasste:
„Bei der Zielvereinbarung handelt es sich um eine Vereinbarung zur Ausführung Spezieller Krankenbeobachtung im Rahmen von Häuslicher Krankenpflege in Form eines persönlichen Budgets nach § 17 Abs. 2 SGB IX, näher bestimmt durch § 4 der Budgetverordnung auf Grundlage von § 21 a SGB IX. (§ 1)
Die AOK stellt dem Budgetnehmer (A. A.) ab dem 01.12.2016 ein Persönliches Budget in Form einer laufenden monatlichen Geldleistung zur Verfügung. Förder- und Leistungsziel ist es, dem Leistungsberechtigten die Sicherstellung der speziellen Krankenbeobachtung im Rahmen von Häuslicher Krankenpflege eigenverantwortlich zu ermöglichen. Das Pflegegeld ist nicht Gegenstand dieses Persönlichen Budgets. (§ 2 Abs. 1)
Das Budget ist so bemessen, dass es den für die Anspruchsdauer von durchschnittlich 8 Stunden täglich festgestellten Bedarf an Spezieller Krankenbeobachtung im Rahmen von Häuslicher Krankenpflege unter Berücksichtigung der Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit deckt. Beide Parteien sind übereingekommen, für den oben genannten täglichen Versorgungsumfang ein Persönliches Budget, vom 01.12.2016 bis zum 31.05.2017, in Höhe von monatlich 6.611,89 EUR und ab dem 01.08.2017 in Höhe von monatlich 6.311,89 € anzusetzen. Darin enthalten sind bereits die Kosten für unvorhersehbare und anlassbezogene Ausgaben. Der Budgetnehmer verpflichtet si...