Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. angemessene Unterkunftskosten. Zweipersonenhaushalt im Landkreis Anhalt-Bitterfeld in Sachsen-Anhalt. Vorliegen eines schlüssigen Konzepts. Festlegung des Vergleichsraumes durch den Grundsicherungsträger. ländlicher Raum. homogener Lebens- und Wohnbereich. Methodenfreiheit. Clusterbildung. Datenerhebung. Datenauswertung
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Schlüssigkeit des Konzepts über die Angemessenheit der Unterkunftskosten im Landkreis Anhalt-Bitterfeld. Der Umfang der gerichtlichen Überprüfung einer Richtlinie ist auf deren Schlüssigkeit und Plausibilität beschränkt.
2. Die Festlegung des Vergleichsraums ist im Hinblick auf den Gewaltenteilungsgrundsatz eine kommunalpolitische Entscheidung, die der gerichtlichen Kontrolle nur im Hinblick auf deren Schlüssigkeit unterliegt.
3. Im Rahmen der Methodenfreiheit (vgl BSG vom 12.12.2017 - B 4 AS 33/16 R = BSGE 125, 29 = SozR 4-4200 § 22 Nr 93) steht der Schlüssigkeit eines Konzepts zur Angemessenheit der Kosten für die Unterkunft die Clusterbildung nicht entgegen. Die Vergleichsraumfestlegung, die Datenerhebung und die Datenauswertung sind unterschiedliche Prüfungsebenen. Als Ausprägung des ländlichen Raumes können unterschiedliche Angemessenheitswerte die unterschiedlichen Mietmarktwerte widerspiegeln, ohne dass dadurch einem homogenen Lebensraum als einem Vergleichsraum widersprochen wird.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Anspruchs auf Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitsuchende - SGB II) für die Zeit von August bis Oktober 2015.
Die 1989 geborene Klägerin zu 1) bezieht gemeinsam mit ihrer minderjährigen Tochter, der 2012 geborenen Klägerin zu 2), fortlaufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Die Klägerin zu 1) erhält für die Klägerin zu 2) Kindergeld in Höhe von monatlich 184,00 Euro sowie Unterhaltsvorschuss in Höhe von monatlich 133,00 Euro. Die Klägerinnen leben gemeinsam in einer Mietwohnung in Köthen mit einer Wohnfläche von insgesamt 60,14 Quadratmetern. Die monatlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung betrugen zunächst insgesamt 450,00 Euro. Sie setzten sich zusammen aus der Grundmiete in Höhe von monatlich 300,00 Euro, den Betriebskosten in Höhe von monatlich 60,00 Euro sowie den Heizkosten in Höhe von monatlich 90,00 Euro. Mit der Betriebskostenabrechnung vom 28. November 2014 erhöhte die Vermieterin die Vorauszahlungen für die Betriebskosten ab dem 1. Februar 2015 auf monatlich 110,00 Euro.
Mit Bescheid vom 5. Januar 2015 gewährte der Beklagte den Klägerinnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 1. Februar bis zum 30. April 2015. Dabei berücksichtigte er die Betriebskostenvorauszahlungen zunächst noch in tatsächlicher Höhe von monatlich 110,00 Euro. Am Ende des Bescheides wies der Beklagte auf ein beiliegende Anhörungsschreiben zur Angemessenheit der Unterkunftskosten hin. In diesem Schreiben vom 5. Januar 2015 nannte der Beklagte in tabellarischer Form die für den Landkreis Anhalt-Bitterfeld geltenden Angemessenheitswerten (sog. Kostensenkungshinweis). Danach würden die Aufwendungen für die Betriebskosten die Obergrenze um monatlich 44,00 Euro überschreiten. Die Aufwendungen in tatsächlicher Höhe würden nur noch bis einschließlich Juli 2015 übernommen werden.
Mit Bescheid vom 16. April 2015 gewährte der Beklagte den Klägerinnen vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1. Mai bis zum 31. Oktober 2015. Dabei berücksichtigte er die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe bis einschließlich Juli 2015. Für August 2015 gewährte der Beklagte Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 456,00 Euro. Die Differenz zu den tatsächlichen Kosten beträgt monatlich 44,00 Euro. Für die Monate September und Oktober 2015 gewährte der Beklagte keine Heizkosten.
Dagegen erhoben die Klägerinnen mit Schreiben vom 18. Mai 2015 Widerspruch. Die Kosten seien nicht unangemessen. Der Zugang einer ordnungsgemäßen Aufforderung zur Kostensenkung werde bestritten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 2. Juli 2015 (W 10461/15) wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Die Kosten für die Unterkunft würden die Angemessenheitswerte aus der Richtlinie übersteigen. Die Anspruchsberechnung sei nicht zu beanstanden.
Dagegen haben die Klägerinnen am 29. Juli 2015 Klage beim Sozialgericht Dessau-Roßlau erhoben.
Der Beklagte habe die Aufwendungen für die Unterkunft in tatsächlicher Höhe zu tragen, da der Richtlinie kein schlüssiges Konzept zugrunde liege. Die Erhöhung der Betriebskosten zum Februar 2015 hätten sie nicht zu vertreten. Ihnen könne kein unwirtschaftliches Verhalten vorgeworfen werden. Insbesondere könnten sie die erhöhten Kosten für den Hausmeisterservice und die Heizungswartung nicht beeinflussen...