Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. behandlungsbedürftige Krankheit durch Selbstverschulden. Ermessen. Krankenkasse. Kostenbeteiligung des Versicherten
Orientierungssatz
Hat sich ein Versicherter eine behandlungsbedürftige Krankheit durch ein von ihm begangenes vorsätzliches Vergehen zugezogen, ist der Krankenkasse Ermessen dahingehend eingeräumt, ob und in welchem Umfang sie den Versicherten an den Krankheitskosten beteiligt. Dabei sind als Kriterien insbesondere der Grad des Verschuldens, die Höhe der Aufwendungen der Krankenkasse, die finanzielle Leistungsfähigkeit des Versicherten sowie dessen Unterhaltsverpflichtungen heranzuziehen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist, ob die beklagte Krankenkasse zu Recht den Kläger wegen Selbstverschuldens an den Behandlungskosten beteiligt und einen Teil des gezahlten Krankengeldes zurückgefordert hat.
Der Kläger, welcher seinerzeit Mitglied der Beklagten war, kam am 28.06.2006 gegen 22:30 Uhr mit dem PKW seines Vaters in einer Rechtskurve von der rechten Fahrbahn ab und kollidierte mit einem am Rand der Gegenspur abgestellten Fahrzeug. Beide Fahrzeuge wurden stark beschädigt. Nach der polizeilichen Unfallanzeige fuhr der Kläger mit überhöhter Geschwindigkeit. Die Blutalkoholkonzentration lag bei 1,87 Promille, außerdem fanden sich Cannabisrückstände im Blut des Klägers. Er wurde mit dem Notarztwagen in ein Krankenhaus eingeliefert, wo er bis zum 10.07.2006 behandelt wurde. Vom 10.08.2006 bis 27.10.2006 bezog er von der Beklagten Krankengeld. Durch rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts Neu-Ulm vom 10.10.2006 wurde der Kläger wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs zu einer Geldstrafe verurteilt; außerdem wurde ihm die Fahrerlaubnis entzogen.
Mit Anhörungsschreiben vom 22.08.2007 teilte die Beklagte dem Kläger mit, aufgrund des Unfallereignisses habe sie Kosten in Höhe von insgesamt 8.684,94 Euro gehabt. Nach den vorliegenden Unterlagen habe der Kläger den Unfall allein schuldhaft durch erheblichen Alkoholgenuss verursacht. Sie beabsichtige, den Kläger in Höhe von 1.971,94 Euro an den Kosten zu beteiligen. Sie bat den Kläger um Angaben zu seinem monatlichen Einkommen und zu Unterhaltsverpflichtungen. Der Kläger teilte lediglich mit, er sehe nicht ein, den Betrag zu zahlen, da er den Unfall nicht mutwillig verursacht habe. Mit Bescheid vom 09.10.2007 teilte die Beklagte dem Kläger mit, nach Prüfung und unter Berücksichtigung der vorliegenden Unterlagen und seiner Einlassung sei sie zu der Entscheidung gelangt, ihn in Höhe von 1.971,94 Euro an den entstandenen Kosten zu beteiligen. Laut dem rechtskräftigen Strafbefehl habe er vorsätzlich gehandelt, da er seine Fahruntüchtigkeit und damit auch die Verletzungen billigend in Kauf genommen habe. Da er sich die Verletzungen bei einem vorsätzlichen Vergehen zugezogen habe, sei die Beklagte berechtigt, ihn an den entstandenen Kosten zu beteiligen. Der Kläger habe keine Angaben über seine persönlichen und finanziellen Verhältnisse gemacht, so dass sie davon ausgehen müsse, dass ihn eine Beteiligung in der genannten Höhe nicht überfordere. Der Bescheid enthielt ebenso wie das Anhörungsschreiben eine Aufstellung der angefallenen Kosten und der Zeiträume, in denen die Kosten angefallen waren. Zur Begründung des am 08.11.2007 eingelegten Widerspruchs wiederholte der Kläger sein Vorbringen aus dem Anhörungsverfahren. Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 13.03.2008 den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie zusätzlich aus, sie habe eine Richtwerttabelle aufgestellt, um eine Gleichbehandlung der Versicherten bei selbstverschuldeten Krankheiten zu erreichen. Diese Richtwerte sähen bei einem vorsätzlichen Vergehen und Verurteilung zu einer Geldstrafe eine Kostenbeteiligung an den Leistungen von 20 v.H., beim Krankengeld von 30 v.H. vor. Dennoch werde im Einzelfall die Leistungsfähigkeit des Versicherten geprüft. Bei dem Kläger sei dies nicht möglich gewesen, weil er keine Angaben gemacht habe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe des Widerspruchsbescheids Bezug genommen.
Zur Begründung der am 10.04.2008 erhobenen Klage trägt der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten vor, er habe den Unfall nicht vorsätzlich verursacht. Gegen den Strafbefehl sei er seinerzeit nicht vorgegangen, weil sich letztlich an der Höhe der Geldstrafe auch bei fahrlässiger Begehensweise nichts geändert hätte. Allein der Grad der Alkoholisierung und die Einnahme von Betäubungsmitteln seien nicht geeignet, eine vorsätzliche Begehungsweise zu begründen. Gerade hohe Alkoholkonzentrationen führten oft zu Kritiklosigkeit und fehlender Erkenntnisfähigkeit, die den Kraftfahrer seine Fahruntüchtigkeit nicht wahrnehmen ließen. Auch träten Persönlichkeitsveränderungen ein, die dazu führten, dass der Alkoholisierte seine Mängel nicht erkenne und sich infolge alkoholischer Euphorie sogar besonders leistungsfähig fühle, was allerdings...