Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld. Bemessungsentgelt. Arbeitsentgeltanspruch. Zuflussfiktion bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers. Kausalität
Orientierungssatz
Die dem Arbeitslosen nach arbeitsgerichtlichem Vergleich beim Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis zustehenden und später vom Insolvenzverwalter anerkannten und bescheinigten höheren Arbeitsentgeltansprüche sind bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes nach § 134 Abs 1 S 2 SGB 3 zu berücksichtigen, auch wenn die Differenz zu dem abgerechneten, ausgezahlten Arbeitsentgelt wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers niemals tatsächlich zugeflossen ist. Die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers muss nicht bereits bei Entstehung des Anspruchs, dh im Zeitpunkt der ursprünglichen Fälligkeit der streitigen Lohnforderung bestanden haben. Zahlungsunfähigkeit muss erst dann vorliegen, wenn der Arbeitgeber auf den nachträglich festgestellten Anspruch tatsächlich zahlen musste.
Tenor
1. |
|
Der Bescheid der Beklagten vom 9. März 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2000 wird aufgehoben. |
2. |
|
Die Beklagte wird verurteilt, den Bescheid vom 26. April 1999 und die hierzu ergangenen Folgebescheide dahingehend abzuändern, dass der Berechnung des Arbeitslosengeldes für die Monate April 1998 bis März 1999 ein Entgelt von insgesamt 61.706,85 DM zugrunde gelegt wird. |
3. |
|
Die Beklagte hat dem Kläger die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen zu erstatten. |
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Zahlung eines höheren Arbeitslosengeldes bei nachträglicher Anerkennung höherer Entgeltansprüche durch den Insolvenzverwalter, wobei aufgrund der Insolvenz Entgeltnachzahlungen nicht erfolgten.
Der Kläger war bis zum 31. März 1999 bei der D GmbH (DGG) beschäftigt. Die letzten zwei Jahre war er nicht mehr als Meister, sondern als Kraftfahrer eingesetzt, erhielt jedoch aufgrund eines arbeitsgerichtlichen Vergleiches in Umsetzung tarifvertraglicher Bestandsschutzregelungen 95 % des Entgelts, dass ihm als Meister zugestanden hätte. Die Beschäftigung endete durch Freistellung durch den Insolvenzverwalter bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis zum 31. März 1999. Vorausgegangen war die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der D GmbH am 30. März 1999.
Die DGG war bis zum 31. Dezember 1997 Mitglied des Arbeitgeberverbandes der Metall- und Elektroindustrie Sachsen-Anhalt e. V. Am 17. März 1997 schlossen der Verband der Metall- und Elektroindustrie Sachsen-Anhalt e. V. und die Industriegewerkschaft Metall, Bezirksleitung Hannover, eine Härtefallregelung nach den Bestimmungen des Lohn- und des Gehalttarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer bzw. die Angestellten in der Metall- und Elektroindustrie Sachsen-Anhalt. Danach betrugen die tariflichen Löhne und Gehälter ab dem 1. April 1998 92,5 %, ab dem 1. September 1998 94 % und ab dem 1. November 1998 100 % der tariflichen Löhne und Gehälter.
Am 22. Juni 1998 wurde zwischen den Tarifvertragsparteien eine weitere tarifliche Härtefallregelung geschlossen, die unter Ziff. 5 die folgende Bedingung enthielt:
"Diese Härtefallregelung ist rechtswirksam unter der Voraussetzung, dass für die o. g. Firma eine ungekündigte und unbefristete Mitgliedschaft im Verband der Metall- und Elektroindustrie Sachsen-Anhalt e. V. besteht."
Entgegen den tarifvertraglichen Vereinbarungen zahlte die DGG auch über den 1. April 1998 hinaus Entgelte nur in Höhe der bis dahin gültigen Absenkung auf 88,5 % der tariflichen Löhne und Gehälter aus.
Der Kläger ist Mitglied der IG Metall. Zudem bestimmt § 2 des zwischen dem Kläger und der DGG geschlossenen Arbeitsvertrages, dass sich das Anstellungsverhältnis "nach dem Tarifvertrag IG Metall S/A und den diesen ergänzenden, ändernden und ersetzenden Tarifverträgen in der für den Arbeitgeber geltenden Fassung" bestimme. Zudem fänden die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen Anwendung.
Bereits am 30. März 1999 meldet sich der Kläger bei der Beklagten zum 1. April 1999 arbeitslos und beantragte die Zahlung von Arbeitslosengeld. In einer Arbeitsbescheinigung vom 16. April 1999 gab die DGG gegenüber der Beklagten an, dass der Kläger für die Monate April bis Dezember 1998 Anspruch auf ein monatliches Entgelt in Höhe von 4.717,48 DM habe, für die Monate Januar bis März 1999 betrage der Entgeltanspruch jeweils 5.362,21 DM, insgesamt also 58.547,19 DM.
Mit Bescheid vom 23. April 1999 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld ab dem 1. April 1999 für die Dauer von 971 Tagen nach einem Bemessungsentgelt von 1.120 DM in der Leistungsgruppe A/0 mit einem Leistungssatz von 378,91 DM wöchentlich. Ab dem 1. Januar 2000 wurde der Leistungssatz auf 387,59 DM, ab dem 1. April 2000 das Bemessungsentgelt auf 1.140 DM und der Leistungssatz auf 392,42 DM erhöht.
Am 1. März 2000 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Überprüfung der Höhe des ihm gezahlten Arbeitslosengeldes wegen der Anerkennung von Lohnforderunge...