Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Anordnung der sofortigen Vollziehung. vertragsärztliche Versorgung. Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes. Fortführungswille
Orientierungssatz
1. Der Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung einer vertragsärztlichen Zulassung ist im Fall einer Drittanfechtungsklage bereits dann erfolgreich, wenn die (vorläufige) gerichtliche Prüfung ergibt, dass die in der Hauptsache angefochtene Entscheidung offensichtlich rechtmäßig ist und ein öffentliches Interesse oder überwiegende Interessen eines Beteiligten für den Sofortvollzug sprechen. Für einen Erfolg des Antrages bedarf es keiner besonderen Eilbedürftigkeit im Sinne eines Anordnungsgrundes. Vielmehr sind die gegen eine sofortige Vollziehung sprechenden Suspensivinteressen umso geringer zu gewichten, je weniger Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen.
2. Eine Praxis wird nur dann im Sinne des § 103 Abs 4 SGB 5 "fortgeführt", wenn der sich um eine Praxisnachfolge bewerbende Arzt am bisherigen Praxisort als Vertragsarzt - ggf auch als Mitglied einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft - tätig werden will bzw tätig wird. Es genügt daher nicht, wenn ein Bewerber beabsichtigt, den Praxisbetrieb zwar am bisherigen Standort, jedoch lediglich als angestellter Arzt in der Zweigpraxis einer Berufsausübungsgemeinschaft oder eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) fortzusetzen.
Tenor
Die sofortige Vollziehung des Beschlusses des Antragsgegners vom 03.08.2022 (BA-Nr.: 25/2022) wird angeordnet, soweit es die Zulassung des Antragstellers zu 1) zur vertragsärztlichen Versorgung als Facharzt für Anästhesiologie für den Vertragsarztsitz O.-straße, 00000 I. betrifft.
Im Übrigen werden die Anträge der Antragsteller zu 1) bis 4) zurückgewiesen.
Der Antragsgegner und der Beigeladene zu 8) tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten der Beigeladenen findet nicht statt.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes der Frau Dr. Z. im Bereich der ambulanten Schmerztherapie für die Raumordnungsregion I. umstritten.
Frau Dr. Z. ist Fachärztin für Anästhesiologie. Am 09.09.2020 stellte sie beim Zulassungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen (ZA) für den Regierungsbezirk M. einen Antrag auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens in der Raumordnungsregion I.. Hier bestanden bei einem Versorgungsgrad von 127,2 % nach § 103 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) für die betroffene Arztgruppe der Anästhesisten Zulassungsbeschränkungen. Eine Einstellung der vertragsärztlichen Tätigkeit wurde für den 31.03.2022 avisiert. Am 20.03.2023 stellte die Praxisabgeberin einen Antrag auf Ruhen der Zulassung bis zur Entscheidung des laufenden Rechtsstreits beim Zulassungsausschuss.
Nach Anordnung des Nachbesetzungsverfahrens und Ausschreibung des Sitzes bewarben sich insgesamt elf Ärzte, wovon fünf Zulassungsanträge stellten. Darunter befanden sich die Antragsteller zu 1) bis 4) und der Beigeladene zu 8).
Der Antragsteller zu 1) war Facharzt für Anästhesiologie mit den Zusatzbezeichnungen Notfallmedizin, Intensivmedizin, spezielle Schmerztherapie, Palliativmedizin und manuelle Therapie. Er wurde am 01.10.2004 approbiert und war seit dem 05.07.2008 Facharzt für Anästhesiologie. Auf der Warteliste stand er an Position 118.
Die Antragsteller zu 2) bis 4) waren eine auf dem Fachgebiet der Anästhesiologie praktizierende Berufsausübungsgemeinschaft. Sie verbanden den Zulassungsantrag mit dem Antrag auf Genehmigung der gemeinsamen, überörtlichen Berufsausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit mit dem Antragsteller zu 1). Sie reichten zudem einen Vertrag über eine überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) vom 22.02.2022 ein. Aus diesem ging hervor, dass die Gründung zum 01.04.2022 erfolge und der Kaufpreis in Höhe von 650.000,00 EUR für die Praxisübernahme zur Hälfte als Kredit durch die gesamte BAG und zu der anderen Hälfte als Einlage des Antragstellers zu 1) finanziert werden sollte.
Der Beigeladene zu 8) war Facharzt für Anästhesiologie und war als Oberarzt in der Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin im U. Hospital in I. in Vollzeit tätig.Der Antragsteller wurde am 06.02.1985 approbiert und war seit dem 09.11.1991 Facharzt für Anästhesiologie. Er beantragte am 11.06.2021 die Eintragung auf die Warteliste für das Fachgebiet Anästhesiologie im Planungsbereich I.. Er wurde am 18.02.2022 in der Warteliste auf Position 119 für den Planungsbereich I. eingetragen.
Der Beigeladene zu 8) verband seinen Zulassungsantrag mit dem Antrag auf Genehmigung der sofortigen Praxisverlegung nach I., B.-straße 00 (Standort der Klinik)und beantragte außerdem die Genehmigung zur Ausübung einer Nebentätigkeit in einem Umfang von dreizehn Stunden in seiner bisherigen Beschäftigung als Oberarzt. Die Praxis von Frau Dr. Z. war von dem geplanten Praxissitz 2,4 km entfernt. Gleichzeitig bat er darum, den Namen und ...