Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch des Krankenhausträgers auf Zahlung einer Aufwandspauschale bei Abrechnungsprüfung seitens der Krankenkasse durch den MDK
Orientierungssatz
1. Der Anspruch des Krankenhauses auf die Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB 5 setzt voraus, dass die Krankenkasse eine Abrechnungsprüfung durch den MDK veranlasst hat, dem Krankenhaus durch die Anforderung von Sozialdaten durch den MDK gemäß § 276 Abs. 2 S. 1 SGB 5 ein Aufwand entstanden ist, die Prüfung nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrags und das Prüfverfahren nicht durch eine nachweislich fehlerhafte Abrechnung seitens des Krankenhauses geführt hat.
2. Unter das Tatbestandsmerkmal der Auffälligkeitsprüfung in § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB 5 fällt die sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung.
3. Unter das Prüfregime des § 275 Abs. 1c SGB 5 fallen sämtliche mit Beteiligung des MDK eingeleiteten Prüfverfahren. Zur Auffälligkeitsprüfung i. S. von § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB 5 zählt damit die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigstellung einer Krankenhausrechnung.
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 300,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.07.2015 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Zahlung einer Aufwandspauschale.
In der nach § 108 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zugelassenen Klinik der Klägerin wurde in der Zeit vom 13.08.2014 bis 01.09.2014 die bei der Beklagten versicherte Frau B L (Versicherte) stationär behandelt. Für diesen Aufenthalt stellte die Klägerin der Beklagten am 12.09.2014 eine Rechnung über 11.488,43 EUR aus.
Die Beklagte beglich diese Rechnung und beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Prüfung des Behandlungsfalls. Mit einem Schreiben vom 26.09.2014, bei der Klägerin am 28.09.2014 eingegangen, teilte der MDK der Klägerin Folgendes mit:
"Sehr geehrte Damen und Herren,
entsprechend § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V bzw. § 275 Abs. 1c SGB V zeigen wir Ihnen an, dass uns die AOK A I Direktion DTA zu vorgenannter Behandlung [stationäre Behandlung der Versicherten vom 13.08.2014 bis 01.09.2014] mit einer Prüfung beauftragt hat mit folgender Fragestellung (Wir verweisen darauf, dass bei weiteren Auffälligkeiten die Fragestellung ggf. erweitert werden kann.): Ist/sind die Prozedur(en) korrekt? Unterfrage: AFG: Aufgrund der gelieferten Daten ist nicht nachvollziehbar, dass die Mindestvoraussetzungen des OP8-559.40 erfüllt sind.
Wir bitten deshalb um Übersendung folgender Unterlagen in Kopie: Aufnahmedokumentation Arzt, Aufnahmedokumentation Pflege, Laborbericht(e), Operationsbericht(e), Interventionsbericht(e), Fieberkurve, Ärztliche Dokumentation, Krankenhausentlassungsbericht(e), Pflegebericht
Bezüglich unserer Anfrage beziehen wir uns auf § 275 Abs. 1 SGB V in Verbindung mit § 276 Abs. 2 Satz 1 SGB V ( ...)."
Nachdem die Klägerin den ausführlichen Entlassungsbericht, die Dokumentation der pneumologischen Frührehabilitation und die Laborparameter zur Verfügung gestellt hatte, führte der MDK durch Dr. X in einem sozialmedizinischen Gutachten vom 09.02.2015 aus, dass ihm nicht bekannt sei, ob die Strukturvoraussetzungen für den OPS 8-559.40 in der Klinik erfüllt seien. Die sonstigen Mindestmerkmale dieses OPS seien erfüllt.
Zuvor hatte der MDK durch Herrn Dr. G und Frau Dr. N in einer von der Beklagten in Auftrag gegebenen Stellungnahme vom 04.06.2014 ausgeführt, dass die Klinik der Klägerin die Strukturvoraussetzungen für den OPS 8-559 erfülle.
Mit einer Rechnung vom 20.03.2015 forderte die Klägerin von der Beklagten die Zahlung einer Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 EUR.
Die Beklagte lehnte die Zahlung der Aufwandspauschale unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgericht (BSG) (Urteil vom 01.07.2014 - B 1 KR 24/13 R, B 1 KR 29/13 R - und Urteil vom 14.10.2014 - B 1 KR 26/13 R -) ab. Es habe sich nicht um eine Auffälligkeitsprüfung im Sinne des § 275 Abs. 1c SGB V gehandelt, sondern um eine Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung, für die keine Aufwandspauschale anfalle.
Am 22.07.2015 hat die Klägerin Zahlungsklage erhoben. Sie vertritt die Ansicht, dass das Gesetz eine Unterscheidung zwischen einer Auffälligkeitsprüfung und einer Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit nicht vorsehe. Die sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung sei nach dem klaren Wortlaut der §§ 275 Abs. 1 Nr. 1, 275 Abs. 1c SGB V ein Unterfall der Auffälligkeitsprüfung. Die Rechtsprechung des 1. Senats des BSG, die das anders bewertet, erfolge daher contra legem. Sie laufe auch der Intention des Gesetzgebers zuwider, die übermäßige Nutzung der Einzelfallprüfung durch den MDK einzudämmen. Aus der Gesetzesbegründung gehe hervor, dass der Gesetzgeber jedwede MDK-Prüfung vor Augen gehabt habe. Vor diesem Hintergrund sei auch die ursprüngliche Aufwandspauschale von 100,00 EUR...