Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingliederungshilfe: Abgrenzung der Leistungspflicht von Sozialhilfe- und Jugendhilfe bei Eingliederungsleistungen. Bindungswirkung eines Vorprozesses gegenüber einem dort beigeladenen Leistungsträger

 

Orientierungssatz

1. Wurde über einen Anspruch auf Leistungen zur Eingliederung bereits in einem vorhergehenden Rechtsstreit rechtskräftig entschieden, dass es sich dabei um Leistungen der Sozialhilfe - in Abgrenzung zu Leistungen der Jugendhilfe - handelt, so ist der Sozialhilfeträger, auch wenn er im Vorverfahren nur als Beigeladener am Verfahren beteiligt war, an diese Feststellung auch für weitere Ansprüche des Berechtigten gebunden.

2. Einzelfall zur Abgrenzung von Ansprüchen aus Jugendhilferecht und Sozialhilferecht hinsichtlich von Eingliederungsleistungen und zur Leistungserstattung zwischen Sozialleistungsträgern.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 25.04.2013; Aktenzeichen B 8 SO 12/12 R)

 

Tenor

Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die Aufwendungen für die Elternassistenz zur Betreuung des Kindes K D zu Gunsten der Frau B D in der Zeit ab 18.08.2009 bis zum 14.04.2010 in Höhe von 12.424,80 Euro zu erstatten.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt im Anschluss an das Verfahren 6 K 1776/06 beim Verwaltungsgericht Minden nun Kostenerstattung von der Beklagten im Hinblick auf die erbrachten Leistungen der Elternassistenz für eine schwerstbehinderte Mutter bei der Erziehung ihres Sohnes, zu deren Leistung sie vom Verwaltungsgericht unter dem Aspekt des zweitangegangenen Reha-Trägers verpflichtet worden ist. Die Beteiligten streiten dabei um die Abgrenzung von Hilfe für behinderte Menschen nach dem SGB XII und Jugendhilfe nach dem SGB VIII.

Die im Januar 1972 geborene, seit Ende 2008 verheiratete Klägerin leidet seit ihrer Geburt an einer spastischen Lähmung aller vier Gliedmaßen (Tetraplegie) und ist auf einen Rollstuhl angewiesen. Sie ist in die Pflegestufe II eingeordnet. Sie kann nur begrenzte Tätigkeiten im Haushalt erledigen und ist in allen Lebensbereichen auf Unterstützung angewiesen. Deswegen erhält sie selbst seit Jahren von der Beklagten Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 54 SGB XII. Den übrigen Hilfebedarf (Haushalt, Unterstützung beim Aufstehen, Ankleiden, Frisieren etc.) deckt ihr als Arbeiter berufstätiger Ehemann. Am 00.04.2009 gebar sie ihren Sohn K. Bereits mit Schreiben vom 05.03.2009 beantragte sie bei der Beklagten die Übernahme der Kosten der Elternassistenz ab dem 15.07.2009 im Umfang von 10 Stunden werktäglich mit der Begründung, ihr Ehemann werde nach der dreimonatigen Elternzeit in seinen Beruf zurückkehren und sie werde dann während seiner arbeitstäglichen zehnstündigen Abwesenheit zur Erfüllung ihrer Rolle als Mutter und zur Versorgung ihres Sohnes auf Grund ihrer körperlichen Behinderung auf die beantragte Hilfe angewiesen sein. Da es sich um die Deckung ihres Hilfebedarfs bei der Versorgung ihres Sohnes und nicht eines Hilfebedarfs des Kindes handele, beantrage sie die Kostenübernahme im Rahmen der Eingliederungshilfe, nicht der Jugendhilfe. Der hiesige Beklagte (LWL = Beigeladener im Verfahren 6 K 1776/09) leitete den Antrag an die hiesige Klägerin (Stadt C = Beklagte im Verfahren 6 K 1776/09) als örtlichen Träger der Jugendhilfe weiter. Es gehe um die Versorgung des Kindes, nicht der Mutter. Die Stadt C sandte den Antrag umgehend an den LWL zurück, weil sie sich für unzuständig hielt.

Daraufhin beantragten die Eltern D am 26.05.2009 die Gewährung von Hilfe zur Erziehung nach den §§ 27 ff. SGB VIII. Die Stadt C hielt aus fachlicher Sicht die beantragte Unterstützung für erforderlich, sah hierfür aber den LWL als Träger nach dem SGB XII in der Pflicht. Der LWL wiederum vertrat die Auffassung, der eigene Hilfebedarf der Mutter B D sei bereits durch die ihr gewährte Eingliederungshilfe gedeckt. Die jetzt beantragte Hilfe werde von deren Sohn benötigt, der Hilfe aber nur vom Jugendamt, also von der Stadt C beanspruchen könne. Mit Bescheid vom 23.06.2009 lehnte die Stadt C sowohl den an sie weitergeleiteten Antrag vom 13.03.2009 als auch den am 26.05.2009 bei ihr direkt gestellten Antrag auf Kostenübernahme für eine "Elternassistenz" mit der Begründung ab, sie sei weder nach dem SGB VIII unter dem Aspekt der Jugendhilfe zuständig noch sei sie zweitangegangener Reha-Träger. Mit Schreiben vom 14.04.2007 stellte sie klar, dass die Ablehnung auch einen am 13.07.2009 gestellten Antrag auf Auszahlung eines Elternbudgets umfasse. Der Antrag auf ein persönliches Budget sei ein Antrag auf eine besondere Gestaltung der Elternassistenz.

In einem Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes vor dem Verwaltungsgericht Minden unter dem Aktenzeichen 6 L 382/09 vom 31.07.2009 und schließlich durch Urteil vom 25. Juni 2010 im Verfahren 6 K 1776/09, zu dem der hiesige Beklagte (LWL) beigeladen war, wurde die Stadt C zu näher spezifizierten Leistungen der Elternassistenz für den Zeitraum vom 18.08.2009 bis zum 14.04.2010 ve...

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