Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss einer Leistungspflicht der Krankenkasse für eine Helmtherapie zur Behebung einer Schädelasymmetrie bei einem Kind
Orientierungssatz
1. Unaufschiebbarkeit i. S. von § 13 Abs. 2 S. 1 SGB 5 als Voraussetzung eines Kostenerstattungsanspruchs ist nur dann gegeben, wenn eine Leistungserbringung im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Durchführung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs für eine Entscheidung der Krankenkasse besteht.
2. Die Helmtherapie - Versorgung eines Kindes mit einer Kopforthese zur Behebung einer Schädelasymmetrie - gehört nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung.
3. Die Behandlung mit einer Kopforthese stellt eine neue Behandlungsmethode dar; sie ist als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für Ärzte (EBM-Ä) nicht enthalten. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat sich mit der Methode noch nicht befasst.
4. Die Kopforthese ist kein Hilfsmittel i. S. von § 33 SGB 5. Sie dient nicht dem Ausgleich eines körperlichen Defizits, sondern sie soll das Wachstum des kindlichen Kopfes beeinflussen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Beklagten, die Kosten für eine Kopforthese zu übernehmen.
Die Klägerin wurde am 00.00.2012 als Zwillingskind geboren. Sie litt unter einer Schädelasymmetrie in einem Umfang von 1,4 cm. Er ist über seine Eltern bei der Beklagten familienversichert.
Am 4.10.2012 verordnete das Diakoniekrankenhaus B in I eine Kopforthese, um die Schädelasymmetrie zu beheben. Die Verordnung ging zusammen mit einer Kostenkalkulation für eine CRANIO-Orthese am 8.10.2012 bei der Beklagten ein. Beigefügt waren ebenfalls Unterlagen über eine am 4.10.2012 durchgeführte Vermessung des Kinderschädels.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 10.10.2012 wurde der Antrag auf Versorgung mit der Kopforthese abgelehnt. Zur Begründung führte die Beklagte aus, es handle sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode, die nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung gehöre. Die Methode sei noch nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Nutzen und medizinische Notwendigkeit seien nicht ausreichend belegt.
Hiergegen erhoben die Eltern der Klägerin Widerspruch und führten aus, eine spontane Besserung sei aus medizinischer Sicht nicht möglich. Im Übrigen sei Eile geboten, da die jeweiligen Messergebnisse nur für ca. eine Woche zu gebrauchen seien. Zur Begründung führten sie eine medizinische Stellungnahme des B in I bei, wo die Klägerin gemeinsam mit ihrem Zwillingsbruder wegen des Plagiozephalus vorstellig geworden war. Darin wurde berichtet, dass die Eltern bereits versucht hatten, durch entsprechende Lagerung die Asymmetrie zu beeinflussen. Ebenso sind krankengymnastische Übungsbehandlungen nach Vojta seit Juli 2012 durchgeführt worden.
Die Beklagte schaltete den medizinischen Dienst der Krankenversicherung Westfalen-Lippe (MDK) ein, der am 3.12.2012 in seinem Gutachten zu dem Ergebnis kam, dass ohne eine Empfehlung des gemeinsamen Bundesausschusses eine Kostenübernahme für die Kopforthese Behandlung nicht möglich sei.
Von dem Ergebnis der medizinischen Prüfung wurden die Eltern der Klägerin am 14.1.2013 informiert. Die Eltern vertraten weiterhin die Auffassung, es sei ein von der Norm bzw. vom Leitbild des gesunden Menschen abweichenden Körper-oder Geisteszustand gegeben. Dieser bedürfe der ärztlichen Behandlung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 7.3.2013 wurde der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen. Die Beklagte führte zur Begründung aus, ein Anspruch auf Versorgung mit einer Kopforthese sei nicht gegeben. Nicht jede körperliche Anomalität sei mit Krankheitswert verbunden. Krankheitswert habe nur ein solcher Körperzustand, der den Versicherten in seiner Körperfunktion beeinträchtige oder wenn eine anatomische Abweichung entstellend wirke. Die Kopfdeformität stelle keine Behinderung in diesem Sinne dar. Auch werde durch die Kopforthese-Therapie keiner drohenden Behinderung vorgebeugt. Bereits vor diesem Hintergrund sei eine Versorgung mit dem Helm ausgeschlossen. Im Übrigen stelle die Behandlung mit einer Kopforthese eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode dar, für die eine Empfehlung des gemeinsamen Bundesausschusses noch nicht vorliege. Auch insoweit könne ein Anspruch der Klägerin nicht hergeleitet werden. Ein Systemversagen, das ausnahmsweise eine Sachleistungsverpflichtung der Krankenkasse begründen könne, liege nicht vor.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die am 5.4.2013 erhobene Klage, mit der die Klägerin weiterhin die Übernahme der notwendigen Behandlungskosten begehrt. Die Therapie sei auf ärztliche Empfehlung durchgeführt worden. Im Vorfeld sei die Klägerin über einen Zeitraum von drei Monaten osteopathisch behandelt worden. Um dauerhafte Folgeschäden an der Halswirbelsäule zu verhindern, sei die Therapie befür...