Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankengeld. Aufrechterhaltung der nahtlosen Mitgliedschaft bei Krankengeldbezug. nahtlose Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit. keine erneute rechtzeitige ärztliche Feststellung bei Prognoseentscheidung und Bescheinigung des Arztes von Arbeitsunfähigkeit auf Dauer. Grundsatz der abschnittsweisen Krankengeldbewilligung. kein Ausschluss der Anerkennung einer ärztlichen Feststellung aus vorrangegangener Zeit nach § 46 S 1 Nr 2 SGB 5. kein Abstellen auf das allein objektive Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit bei laufendem Krankengeldbezug
Orientierungssatz
1. Um der von § 192 Abs 1 Nr 2 SGB 5 für eine fortgesetzte Mitgliedschaft geforderten nahtlosen Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit zu genügen, reicht es aus, dass der Versicherte am letzten Tag des Versicherungsverhältnisses mit Anspruch auf Krankengeld alle Voraussetzungen erfüllt, um spätestens mit Beendigung dieses Tages und damit zugleich mit Beginn des nächsten Tages einen Krankengeldanspruch entstehen zu lassen (vgl BSG vom 4.3.2014 - B 1 KR 17/13 R = SozR 4-2500 § 192 Nr 6).
2. Einer erneuten rechtzeitigen ärztlichen Feststellung bedarf es nur dann nicht, wenn der Arzt im Rahmen seiner Prognoseentscheidung davon ausgeht, dass Krankengeld auf Dauer gegeben ist und dies entsprechend bescheinigt. In diesem Fall kann die Krankenkasse in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Regelungen Krankengeld gewissermaßen als Dauerleistung bis zur Anspruchserschöpfung zahlen (vgl LSG Stuttgart vom 21.1.2014 - L 11 KR 4174/12).
3. Der Grundsatz der abschnittsweisen Krankengeldbewilligung schließt es nämlich nicht aus, eine ärztliche Feststellung aus vorangegangener Zeit, die den weiteren Bewilligungsabschnitt mit umfasst, als für § 46 S 1 Nr 2 SGB 5 ausreichend anzusehen (vgl BSG vom 10.5.2012 - B 1 KR 20/11 R = BSGE 111, 18 = SozR 4-2500 § 46 Nr 4)
4. Allein auf das objektive Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit bei Versicherten, die im laufenden Krankengeldbezug stehen, abzustellen, widerspricht der Regelung des § 46 S 1 Nr 2 SGB 5 und lässt zudem Möglichkeiten des Missbrauchs zu (entgegen LSG Essen vom 17.7.2014 - L 16 KR 160/13).
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Fortgewährung von Krankengeld über den 08.06.2012 hinaus.
Der am 1959 geborene Kläger ist bei der Beklagten gegen Krankheit versichert. Die Versicherungspflicht bestand aufgrund des Bezugs von Arbeitslosengeld I. Seit dem 08.03.2012 war der Kläger wegen einer psychischen Erkrankung arbeitsunfähig. Krankengeld wurde ab dem 18.04.2012 gewährt.
Zu Beginn der Krankengeldbewilligung erhielt der Kläger mit Schreiben vom 30.04.2012 eine Information zum Krankengeld. Darin heißt es:
"Sie erhalten von uns einen ersten Krankengeld-Auszahlschein, den Ihr behandelnder Arzt ausfüllt. Weitere Auszahlscheine hat Ihre B-Kasse vorrätig. Schicken Sie den vom Arzt ausgefüllten Krankengeld-Auszahlschein zur B-Kasse oder geben ihn dort ab. Wir überweisen Ihnen Ihr Krankengeld dann rückwirkend aufs Konto. Bitte beachten Sie, dass die Auszahlung immer nur bis zu dem Tag erfolgen kann, an dem Ihr Arzt den Krankengeld Auszahlschein ausgestellt hat. Reichen Sie die Auszahlscheine bitte grundsätzlich alle zwei Wochen bei uns ein. Wichtig für Sie: Der Gesetzgeber hat festgelegt, dass der Anspruch auf Krankengeld grundsätzlich ab dem auf den Tag der ärztlichen Feststellung folgenden Tag entsteht. Die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit hat der Arzt jeweils abschnittsweise lückenlos auf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung oder dem Auszahlschein für Krankengeld zu bestätigen. Das bedeutet, dass Sie bitte spätestens am letzten Tag der bisher vorläufig bescheinigten Arbeitsunfähigkeit Ihren Arzt aufsuchen, um sich das Ende Ihrer Arbeitsunfähigkeit oder der Verlängerung ab diesem Datum auf dem nächsten Krankengeld-Auszahlschein vermerken lassen. ( ). Endet das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis während des Anspruchs auf Krankengeld, so bleibt die Mitgliedschaft für die Dauer des Bezugs von Krankengeld aufrechterhalten. Wird die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit nicht - wie vorstehend beschrieben - lückenlos ärztlich festgestellt, endet die mit dem Krankengeldanspruch ausgestattete Mitgliedschaft."
Auf den Auszahlscheinen der Beklagten befindet sich gleichfalls ein Hinweis für den behandelnden Arzt, dass der Termin zur Wiedervorstellung spätestens am letzten Tag der voraussichtlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit vereinbart werden muss.
Die Gemeinschaftspraxis für Allgemeinmedizin D u.a. bescheinigte für den Kläger am 08.03.2012 bis zum 30.03.2012 wegen einer Gastritis Arbeitsunfähigkeit. In der Zeit vom 01.04.2012 bis 02.05.2012 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung im Krankenhaus M. Am 02.05.2012 bescheinigte nochmals der Allgemeinmediziner bis zum 16.05.2012 Arbeitsunfähigkeit. Als Diagnose wurde nunmehr eine schwere depressive Episode angegeben. Am 15.05.2012 wurde die weite...