Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankengeld. verspätete Meldung der Arbeitsunfähigkeit. Verantwortungsbereich des Versicherten. Weiterleitung durch behandelnden Arzt
Orientierungssatz
1. Der Versicherte trägt die Verantwortung für eine verspätete Meldung der Arbeitsunfähigkeit (AU), wenn er die Übersendung der Bescheinigung einem Angehörigen überträgt oder die Bescheinigung auf dem Postwege verlorengeht. Dritter in diesem Sinne kann auch der Arzt des Versicherten sein, wenn der Versicherte den Arzt mit der Weiterleitung der Bescheinigung beauftragt.
2. Wenn der Arzt vor dem Hintergrund der Regelung in § 5 Abs 1 S 5 EntgFG und der früher gängigen Praxis irrtümlich davon ausgeht, auch über den Entgeltfortzahlungszeitraum hinaus verpflichtet zu sein, die AU der Krankenkasse zu melden und den hierfür vorgesehenen Vordruck an diese weiterzuleiten, kann eine Verletzung der Obliegenheit des Versicherten jedenfalls dann nicht angenommen werden, wenn der Arzt aufgrund eines Organisationsmangels in seiner Praxis die Bescheinigung zu spät weiterleitet und die Frist des § 49 Abs 1 Nr 5 SGB 5 überschritten wird.
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 17.10.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.03.2017 verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 01.10.2016 bis zum 16.10.2016 Krankengeld entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Krankengeld für die Zeit vom 01.10.2016 bis 16.10.2016.
Die Klägerin ist am 00.00.1957 geboren und bei der Beklagten auf der Grundlage einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gegen Krankheit versichert.
Wegen einer Arbeitsunfähigkeit ab dem 03.06.2016 bezog die Klägerin nach der Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber vom 15.07.2016 an Krankengeld. Zuletzt wurde die Arbeitsunfähigkeit mit Bescheinigung vom 19.08.2016 bis zum 30.09.2016 durch den Facharzt für Innere Medizin Dr. U C bestätigt. Der Arzt hatte der Klägerin während des Krankengeldbezugs die auf dem Muster ausgefüllten Bescheinigungen von Arbeitsunfähigkeit, die zur Vorlage bei der Krankenkasse bestimmt sind, nicht ausgehändigt, sondern diese regelmäßig in Freiumschlägen, die ihm von der Beklagten zur Verfügung gestellt worden waren, an diese auf dem Postweg zugeleitet.
Am 30.09.2016 begab sich die Klägerin erneut zu Dr. C. Die Arbeitsunfähigkeit wurde bis zum 31.10.2016 bescheinigt.
Die Ausfertigung der AU-Bescheinigung zur Vorlage bei der Krankenkasse ging bei der Beklagten allerdings erst am 17.10.2016 ein. Der Posteingang enthält den handschriftlichen Datumseintrag eines Mitarbeiters der Beklagten. Sämtliche Eingänge werden bei der Beklagten regelmäßig eingescannt, ohne dass ein Absender vermerkt wird.
Mit Bescheid vom 17.10.2016 wurde die Klägerin darüber unterrichtet, dass sie die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu spät übersandt habe. Diese sei erst am 17.10.2016 eingegangen und daher nicht fristgerecht innerhalb einer Woche nach Ausstellung vorgelegt worden. Daher könne für die Tage vom 01.10.2016 bis zum 16.10.2016 kein Krankengeld gezahlt werden.
Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, dass sie die Arbeitsunfähigkeit jeweils fristgerecht von ihrem Arzt habe bescheinigen lassen. Die Weiterleitung sei regelmäßig durch die Praxis C erfolgt. Die Bescheinigung vom 30.09.2016, die für die Beklagte bestimmt war, sei ihr von dem Arzt auch gar nicht ausgehändigt worden. Daher habe sie davon ausgehen müssen, dass eine zusätzliche Meldepflicht entfällt, zumal es sich um eine fortwährende Arbeitsunfähigkeit handelt. Schließlich sei Arbeitnehmern nach § 5 Abs. 1 S. 5 Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG) die Verpflichtung abgenommen, der Krankenkasse die Arbeitsunfähigkeit zu melden.
Die Klägerin legte zur weiteren Begründung eine Erklärung von Dr. C vom 28.10.2016 vor. Der Arzt äußerte sich dahingehend, dass der Auszahlungsschein der Patientin nicht ausgehändigt und erst mit Verspätung von der Praxis per Post an die Krankenkasse weitergeleitet worden ist. Der Fehler für die nicht zeitgerechte Übermittlung des Auszahlungsscheins sei in der Praxis entstanden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.03.2017 wurde der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen. Die Meldung der Arbeitsunfähigkeit sei die Pflicht des Versicherten. Die Gefahr des Nichteingangs oder des nicht rechtzeitigen Eingangs der Meldung trage der Versicherte. Er habe folglich dafür Sorge zu tragen, dass die Meldung die zuständige Kasse auch zuverlässig erreiche. Die Ruhensvorschrift des § 49 Abs. 1 Nr. 5 Sozialgesetzbuch, 5. Buch (SGB V) greife daher auch dann, wenn die rechtzeitig zur Post gegebene Meldung dort verloren gehe und der Versicherte die Meldung erst später nachhole. Die Regelung aus dem Entgeltfortzahlungsgesetz finde hingegen keine Anwendung, da der dort genannte Zeitraum nicht betroffen sei. Ein Versehen der Arztpraxis sei nicht der Kasse anzulasten, denn das bloße Über...