Entscheidungsstichwort (Thema)
Regelung über die Tilgung eines als Leistung für Unterkunft nach § 22 Abs. 3 SGB 2 gewährten Darlehens zum Erwerb von Geschäftsanteilen einer Wohnungsbaugenossenschaft. Widerruf des Einverständnisses mit dieser Regelung
Orientierungssatz
1. Als eine Leistung für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 3 SGB 2 kommt auch die Gewährung eines Darlehens für den beim Mieten einer Genossenschaftswohnung verlangten Erwerb von Genossenschaftsanteilen in Betracht.
2. Im Bescheid, mit dem ein Darlehen zum Erwerb von Genossenschaftsanteilen bewilligt wird, darf eine Darlehenstilgung während des Leistungsbezugs nicht verlangt werden, da § 22 Abs. 3 Satz 3 SGB 2 darüber - anders als etwa § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB 2 - keine Regelung trifft und eine Gesetzeslücke nicht vorliegt.
3. Die schriftliche Erklärung, zur Tilgung des Darlehens einen bestimmten monatlichen Betrag der Leistung abzutreten, ist als teilweiser Verzicht nach § 46 Abs. 1 SGB 1 auf das Recht, während des laufenden Leistungsbezugs keine Rückzahlungsraten leisten zu müssen, anzusehen.
4. Die Berufung auf den Teilverzicht ist jedenfalls im Hinblick auf die zusätzliche Abtretung des Genossenschaftsanteils nicht wegen doppelter Sicherungen treuwidrig, da die Realisierung des Darlehensrückzahlungsanspruchs bei mietvertragswidrigem Verhalten gefährdet ist.
5. Der Teilverzicht kann jedoch für die Zukunft jederzeit widerrufen werden; Tilgungsraten sind dann während des weiteren Leistungsbezugs nicht mehr zu leisten.
Tenor
Der Bescheid vom 23.07.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03.09.2008 wird teilweise aufgehoben und die Beklagte verurteilt, ihren Bescheid vom 09.11.2006 dahingehend abzuändern, dass die Regelung über die Darlehenstilgung ab Februar 2007 in Höhe von 35 EURO monatlich aufgehoben wird.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 175 EUR zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 1/3.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Überprüfungsantrages nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) über die Tilgung eines Darlehens für den Erwerb von Geschäftsanteilen an einer Wohnungsbaugenossenschaft.
Der Kläger beantragte am 30.10.2006 bei der Beklagten ein Darlehen in Höhe von 930,00 EURO für den Erwerb von Geschäftsanteilen des "C eG". Der Kläger erklärte sich schriftlich gegenüber der Beklagten mit der Tilgung des Darlehens durch Einbehaltung von monatlichen Raten in Höhe von 35,00 EURO von seinen Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) einverstanden. Mit Bescheid vom 09.11.2006 gewährte die Beklagte dem Kläger ein Darlehen nach § 22 Abs. 3 SGB II zum Erwerb von Geschäftsanteilen in Höhe von 930,00 EURO. Die Auszahlung erfolgte unmittelbar an den "C eG". Weiterhin enthielt der Bescheid die Regelung, dass ab Februar 2007 ein Betrag von monatlich 35,00 EURO zur Tilgung des Darlehens von den Leistungen nach dem SGB II einbehalten wird. Weiterhin enthielt der Bescheid den Hinweis, dass bei Ausscheiden aus dem Leistungsbezug die Darlehenstilgung unaufgefordert fortzusetzen sei sowie dass im Fall eines Tilgungsrückstandes von 2 Monaten das gesamte Darlehen fällig wird. Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid vom 09.11.2006 (Blatt 142 der Verwaltungsakte) Bezug genommen. Ebenfalls am 09.11.2006 trat der Kläger seinen Anspruch auf Rückzahlung gegen den "C eG" an die Beklagte ab. Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Abtretungserklärung (Blatt 196 der Verwaltungsakte) Bezug genommen.
In der Folgezeit gewährte die Beklagte dem Kläger weiter Leistungen nach dem SGB II und behielt monatlich 35,00 EURO ab Februar 2007 fortlaufend ein.
Am 09.06.2008 beantragte der Kläger die Überprüfung des Darlehensbescheides vom 09.11.2006 und wandte sich zugleich gegen die Tilgung des Darlehens durch Einbehaltung von seinen laufenden Leistungen. Mit Schreiben vom 11.07.2008 wiederholte der Bevollmächtigte des Klägers diesen Antrag gegenüber der Beklagten.
Mit Bescheid vom 23.07.2008 lehnte die Beklagte es ab von der Tilgung des Darlehens abzusehen und die bereits zur Tilgung einbehaltenen Beträge auszuzahlen. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 03.09.2008 als unbegründet zurück.
Am 02.10.2008 hat der Kläger Klage erhoben. Bis einschließlich November 2008 hat die Beklagte weiterhin monatlich 35,00 EURO zur Tilgung des Darlehens von den Leistungen des Klägers einbehalten. Von Dezember 2008 bis Februar 2009 hat der Kläger nicht im Leistungsbezug bei der Beklagten gestanden. Seit März 2009 hat der Kläger erneut Leistungen nach dem SGB II bezogen.
Der Kläger ist der Ansicht, es fehle an einer Rechtsgrundlage für die Tilgung des Darlehens. Ein Verzicht nach § 46 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) scheide aus, da sich die Beklagte wegen eines Verstoßes gegen Treu und Glauben nicht hierauf berufen könne. Durch die Abtretung des Geschäftsanteiles sei die Bek...