Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende: Berücksichtigung von Vermögen bei der Ermittlung des Hilfebedarfs. Angemessenheit eines Hausgrundstücks als Voraussetzung der Einordnung als Schonvermögen. Verwertbarkeit eines Hausgrundstücks

 

Orientierungssatz

1. Bei einem alleinstehenden Empfänger von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende ist jedenfalls ein selbstgenutztes Eigenheim mit einer Wohnfläche von 125 Quadratmetern nicht mehr als geschütztes Vermögen mit angemessener Größe anzusehen.

2. Solange der Verkehrswert eines Hausgrundstücks den Substanzwert nicht mehr als 25 Prozent unterschreitet, kann im Rahmen der Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht von der Unwirtschaftlichkeit der Verwertung eines im Eigentum des Hilfeempfängers stehenden Hausgrundstücks ausgegangen werden.

3. Einzelfall zur Beurteilung des Vorliegens einer besonderen Härte bei der Pflicht zur Verwertung eines Hausgrundstücks durch einen Grundsicherungsempfänger (hier: Annahme einer besonderen Härte beim künftigen Bezug eine Altersrente in Höhe von 797 Euro monatlich verneint).

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob die Klägerin von der Beklagten im Zeitraum vom 01.04.2009 bis 31.03.2010 die Gewährung von zuschussweisen Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) trotz vorhandenen Vermögens beanspruchen kann.

Die Klägerin wurde am 00.00.1948 geboren. Sie ist seit Dezember 2004 geschieden. Sie ist Eigentümerin eines mit einem Einfamilienreihenhauses bebauten Hausgrundstücks mit einer Grundstücksfläche von 204 m² und einer Wohnfläche von 125 m², das sie allein bewohnt. Auf der Immobilie lasten noch Darlehensverbindlichkeiten in Höhe von 20.340,21 EUR. Die zu erwartende künftige Regelaltersrente beträgt ausweislich eine Renteninformation der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 10.08.2009 entsprechend der bislang erworbenen Anwartschaft 797,27 EUR.

Die Klägerin beantragte am 06.10.2005 erstmals die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II bei der Beklagten, die diese zunächst auch zuschussweise gewährte. Am 22.09.2008 beantragte sie die Fortzahlung der Leistungen über den 30.09.2008 hinaus, die die Beklagte für den Zeitraum vom 01.10.2008 bis 31.03.2009 vorläufig bewilligte. Hinsichtlich der Immobilie der Klägerin holte sie eine überschlägige Wertaussage des Gutachterausschusses für Grundstückswerte vom 21.11.2008 ein, der einen überschlägigen Verkehrswert von 90.000,00 EUR ermittelte. Den Fortzahlungantrag der Klägerin vom 23.02.2009 für die Zeit ab 01.04.2009 lehnte die Beklagte daraufhin mit Bescheid vom 03.03.2009 ab. Gleichzeitig wies sie auf die Möglichkeit der darlehensweisen Leistungsgewährung hin. Zur Begründung führte sie aus: Die Klägerin sei mit dem vorhandenen Vermögen nicht hilfebedürftig im Sinne des SGB II. Es handele sich bei der Immobilie nicht um ein angemessenes Hausgrundstück im Sinne des § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II, da für eine Person lediglich eine Wohnfläche von 90 m² als angemessen anzusehen sei. Der Verkehrswert belaufe sich abzüglich der Verbindlichkeiten auf 69.659,21 EUR, was ihren Vermögensfreibetrag übersteige. Es liege auch keine besondere Härte vor.

Hiergegen legte die Klägerin am 09.03.2009 Widerspruch ein. Am 31.03.2009 beantragte sie die darlehensweise Leistungsgewährung. Mit Bescheid vom selben Tag wurden ihr darlehensweise Leistungen für den Zeitraum ab 01.04.2009 bis 31.03.2010 gewährt. Gegen diesen Darlehensbescheid wurde hinsichtlich der dort getroffenen Nebenbestimmungen ein Klageverfahren unter dem Aktenzeichen S 8 AS 131/09 geführt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10.08.2009 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den Ablehnungsbescheid als unbegründet zurück. Dem Bescheid war folgende Rechtsbehelfsbelehrung angefügt: "Diese Entscheidung wird Bestandteil des Klageverfahrens S 8 AS 131/09 E T./. Lippe pro Arbeit GmbH gemäß § 95 SGG."

Mit der hiergegen am 24.11.2009 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Zur Begründung führt sie aus: Die Verwertung des Hauses stelle für die Klägerin eine unzumutbare Härte dar. Sie habe das Reihenhaus seinerzeit gemeinsam mit ihrem Mann gekauft; seit der Scheidung bewohne und finanziere sie es allein. Die monatliche Belastung betrage einschließlich Tilgung lediglich 254,25 EUR, was den für einen Alleinstehenden angemessenen Kaltmietzins lediglich um 9,00 EUR übersteige. Der Kredit werde im Jahr 2015 getilgt sein; 2013 vollende sie das 65. Lebensjahr. Grundsicherungsleistungen fielen allenfalls für vier Jahre an. Es stelle eine unzumutbare Härte für die Klägerin dar, von ihr zu verlangen, ihr Haus, das ihre Alterssicherung darstelle, kurz vor Tilgungsende und kurz vor Erreichen der Altersgrenze zu verkaufen. Sie sei im Alter auf eine schuldenfreie Unterkunft angewiesen, um im Alter unabhängig von Grundsicherungsleistungen zu sein. Ein Verkauf des Hauses sei unwirtschaftlich. Selbst...

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