Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenübernahme für die Anschaffung von Haarersatz statt einer Perücke
Orientierungssatz
1. Haarersatz im Falle der weiblichen Kahlköpfigkeit ist von den Krankenkassen im Rahmen des mittelbaren Behinderungsausgleichs zur Verfügung zu stellen.
2. Im Rahmen des mittelbaren Behinderungsausgleichs schuldet die Krankenkasse lediglich einen Basisausgleich.
3. Es besteht daher Anspruch auf eine Versorgung, mit der es der Kahlköpfigen ermöglicht wird, sich unter ihren Mitmenschen frei zu bewegen.
4. Aufgrund anatomischer Besonderheiten kann eine Verweisung auf eine klassische Perückenversorgung unangebracht sein.
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 31.08.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.02.2008 sowie des Bescheides vom 04.08.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.04.2010 verurteilt, die Klägerin von ihren Verbindlichkeiten gegenüber der Fa. F für die Anschaffung des Haarersatzes in 2008 und in 2010 in Höhe von 1.727,96 Euro frei zu stellen.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 2/3.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die Kosten für die Anschaffung einer Perücke zu erstatten.
Die am 00.00.1936 geborene und bei der Beklagten gegen Krankheit versicherte Klägerin leidet unter einer vollständigen Haarlosigkeit des Kopfes. Es besteht lediglich ein Kranz von wenigen und sehr dünnen Haaren am Ansatz.
Die Klägerin war in der Vergangenheit regelmäßig mit einer maßangefertigten Echthaarperücke versorgt, deren Kosten die Beklagte übernommen hat. Soweit die Beklagte ihre Verpflichtung zur vollständigen Kostenübernahme der angeschafften Perücke verneint hatte, ist es nach Durchführung von gerichtlichen Verfahren jeweils zu Vergleichsregelungen gekommen.
Mit Attest vom 06.07.2007 bescheinigte der Arzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten X Q die Erforderlichkeit eines erneuten medizinischen Haarersatzes auf der Grundlage der bei der Klägerin bestehenden Alopecia totales mit irreversiblem Haarausfall. Die Fa. F, die über eine Zulassung nach §126 Sozialgesetzbuch, 5. Buch in der bis zum 31.03.2007 geltenden Fassung verfügt, erstellte am 15.08.2007 einen Kostenvoranschlag, wonach für die medizinische Maßanfertigung einer europäischen Echthaarperücke (vollhandgeknüpft) Kosten in Höhe von 2.285,00 Euro anfallen.
Am 31.08.2007 erteilte die Beklagte einen Bescheid, mit dem die Leistungspflicht zwar bestätigt wurde, die Klägerin müsse aber einen Vertragspartner der Beklagten in Anspruch nehmen. Die Fa. D, die eine Niederlassung in C unterhalte, biete Echthaarperücken zu einem Preis von 799,00 Euro an. Eine Zuzahlung des Versicherten sei dabei nicht erforderlich. Gleichzeitig bewilligte die Beklagte einen Kostenzuschuss für die Haarprothetik in Höhe von 800,00 Euro incl. Mehrwertsteuer.
Die Klägerin erhob hiergegen Widerspruch und führte zur Begründung aus, sie benötige Haarersatz, der geeignet sei, um die Behinderung auszugleichen. Der Verweis auf die Fa. D sei nicht zulässig. Über die konkrete Ausgestaltung des Hilfsmittels müsse eine ausgebildete Fachkraft entscheiden. Die Auswahl der Perücke könne nicht für jeden gleich sein, sondern müsse auf den Einzelfall bezogen erfolgen. Ferner müsse verhindert werden, dass sich die Klägerin als Betroffene aus dem Leben und der Gesellschaft zurück ziehe. Da die Kahlköpfigkeit eine entstellende Wirkung habe, müsse eine Perücke im Rahmen des unmittelbaren Behinderungsausgleichs dafür sorgen, dass der Umstand für Außenstehende nicht erkennbar sei. Vor diesem Hintergrund müsse die Perücke auch aus europäischem Echthaar gefertigt werden. Auf diese Weise sehe sie wesentlich natürlicher aus. Außerdem leide die Qualität asiatischen Echthaars auf Grund des Färbeprozesses erheblich, mit der Folge, dass die Tragedauer einer asiatischen Echthaarperücke wesentlich kürzer sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13.02.2008 wurde der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen. Die Beklagte führte aus, eine qualitativ hochwertige und wirtschaftliche Versorgung könne durch die Bezuschussung mit einem Betrag in Höhe von 800,00 Euro erfolgen. Auf dieser Basis bestünden Vereinbarungen mit der Fa. D GmbH, so dass die Beklagte mit der Bewilligung dieses Betrages ihrer Leistungsverpflichtung vollständig nachgekommen sei. Mehrkosten müsse die Klägerin selbst tragen. Außerdem sei zu bedenken, dass der Leistungserbringer für die Klägerin eine fest verklebte Haarprothetik vorgesehen habe. Zu einer solchen Leistung sei die Beklagte ohnehin nicht verpflichtet. Auch bei Frauen komme im Falle des Haarverlustes lediglich eine Perückenversorgung in Betracht.
Mit Attest vom 13.07.2009 verordnete der Hautarzt X Q erneut medizinischen Haarersatz. Laut Kostenvoranschlag der Fa. F sollten Kosten in Höhe von 1.735,00 Euro anfallen. Erneut verwies die Beklagte mit Bescheid vom 04.08.2009 auf die Möglichkeit, kostengünstigere Perücken bei Vertragspartnern zu erhalten. Ein Zuschuss in Höhe ...