Nachgehend

BSG (Urteil vom 21.09.2017; Aktenzeichen B 8 SO 24/15 R)

 

Tenor

Der Bescheid vom 17.07.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.11.2008 wird aufgehoben.

Der Beklagte wird verurteilt, die Kosten für die Beschulung des Klägers in der T-Schule in C ab der Einschulung zu übernehmen.

Der Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Übernahme der Kosten für seine Beschulung in der T-Schule in C als Leistung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII).

Der im Jahre 2001 geborene Kläger leidet an einer globalen Entwicklungsverzögerung, insbesondere im Bereich der Sprache, die im Rahmen einer U-Untersuchung im 2. Lebensjahr festgestellt wurde. Er erhielt dann aufgrund dieser Behinderung Leistungen der Frühförderung und wurde im Jahre 2005 in einen heilpädagogischen Kindergarten in C aufgenommen. Im Jahre 2007 wurde ein pädagogisches Gutachten über den Kläger erstellt, wonach sich eine eingeschränkte Belastbarkeit, Überforderungssymptome und eine sehr geringe Frustrationstoleranz gezeigt hätten. Darüber hinaus bestünden nur eingeschränkte kognitive Leistungen, so dass von einem Förderbedarf im Bereich der geistigen Entwicklung auszugehen sei. Das Schulamt des Kreises H stellte daraufhin mit Bescheid vom 12.06.2007 einen sonderpädagogischen Förderbedarf im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung fest und wies den Kläger der N-Schule in H zu. Gleichzeitig wurde der Kläger auf Antrag der Eltern vom Schulbesuch zurückgestellt, um ein weiteres Jahr im heilpädagogischen Kindergarten verbleiben zu können. Mit Schreiben vom 11.06.2008 teilte das Schulamt den Eltern des Klägers mit, dass weiterhin ein sonderpädagogischer Förderbedarf bestehe. Die Entscheidung vom 12.06.2007 habe daher weiterhin Bestand. Es werde davon ausgegangen, dass der Kläger demnächst die N-Schule in H besuchen werde. Sollte er eine andere Förderschule besuchen, so sei dies der N-Schule und dem Schulamt mitzuteilen.

Der Kläger wurde dann am 23.08.2008 in der T-Schule in C eingeschult. Es handelt sich dabei um eine staatlich anerkannte Tagungsbildungsstätte nach niedersächsischem Schulrecht. Der Kläger beantragte am 16.06.2008 die Übernahme der Kosten für seine Beschulung in C bei dem Beklagten. Den Antrag begründete er damit, dass die Fahrstrecke zur N-Schule nach H 27 km betrage und somit eine Fahrzeit von über einer Stunde mit dem Bulli erforderlich sei. Demgegenüber betrage die Strecke nach C nur 12 km, so dass die Fahrt nur ca. eine halbe Stunde dauere. Der Kläger sei ein sehr bewegungsfreudiges Kind, das auf alle Reize seiner Umgebung stark reagiere, so dass ihm die lange Fahrzeit die Konzentration für die erste Schulstunde nehmen würde. Darüber hinaus seien die Klassen in C kleiner und die Schule würde insgesamt von weniger Kindern besucht. Schließlich gebe es für den Kläger in C spezielle Förderangebote, die in H nicht vorhanden seien.

Der Beklagte lehnte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 17.07.2008 ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Beschulung in C, da er seinen Bedarf auf andere Weise decken könne. Ihm stehe der Besuch der N-Schule in H offen, deren Kosten einschließlich der erforderlichen Beförderungskosten vom Schulträger getragen würden. Da der Besuch der Schule in C daher mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden sei, könne dem Wunsch des Klägers nicht entsprochen werden.

Der Kläger legte gegen den Bescheid nebst Schreiben vom 25.07.2008 Widerspruch ein. Diesen begründete er damit, dass er einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Beschulung in C habe. Der Kläger habe mit einem allgemeinen Entwicklungsrückstand und Auffälligkeiten im Bereich der Konzentration/Aufmerksamkeit zu kämpfen. Aufgrund der Konzentrationsschwierigkeiten sei er schnell erschöpft und dann nicht mehr aufnahmefähig. Die Fahrzeit nach H zur N-Schule von mehr als einer Stunde stelle für ihn eine unzumutbare Belastung dar. Aus diesem Grund sei die N-Schule für den Kläger nicht geeignet. Darüber hinaus legte der Kläger ein Privatgutachten des Facharztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie Dr. D vom 08.10.2008 vor. Nach diesem Gutachten besteht bei dem Kläger eine geistige Behinderung und eine Aufmerksamkeitsstörung. Erforderlich sei daher ein schulisches Umfeld, das auf die individuelle Situation des Klägers insbesondere auf seine kognitiven Fähigkeiten und seinen darüber hinaus bestehenden Förderbedarf abgestimmt sei. Der Kläger benötige kleine Klassen und eine Schule, die ihm aufgrund ihrer Größe und Struktur eine schnelle und sichere Orientierung ermögliche. Er habe zudem einen Bedarf an Logopädie und Ergotherapie, der idealerweise als integraler Bestandteil der schulischen Förderung sichergestellt werde. Darüber hinaus habe sich gezeigt, dass der Kläger ein hohes Bewegungsbedürfnis habe. Die lange Anfahrtszeit zur Schule nach H stelle für ihn daher eine zusätzliche Belastung dar und sei seiner ohnehin eingeschränkten Aufmerksamkeitsleistun...

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