nicht rechtskräftig

 

Orientierungssatz

1. Auch für das Vertragsarztrecht gilt, dass das Recht auf freie Berufsausübung nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden darf ( Art 12 Abs 1 S 2 des GG ) und zwar lediglich insoweit, als vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls dies rechtfertigen (vgl BVerfG vom 9.5.1972 - 1 BvR 518/62 = BVerfGE 33, 125 ).

2. Eine ausdrückliche Bestimmung, die in jedem Fall eine gemeinsame Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit nur für einen gemeinsamen Praxissitz vorsieht, ist der gesetzlichen Regelung des § 33 Abs 2 Ärzte-ZV nicht zu entnehmen.

3. Im Gegensatz zu patientenbezogen tätigen Vertragsärzten sind die besonderen Belage des § 24 Ärzte-ZV nicht auf die Bildung einer überörtlichen Praxisgemeinschaft von Labormedizinern heranzuziehen.

4. Wenn das ärztliche Berufsrecht trotz der Niederlassungspflicht für die nach dem Fachgebietsinhalt nicht unmittelbar patientenbezogen tätigen Ärzte eine gemeinsame Berufsausübung in einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft zulässt, zeigt dies, dass die Pflicht des einzelnen Arztes zur Niederlassung und zur Tätigkeit an seinem Praxissitz einer gemeinsamen Berufsausübung in einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft gerade nicht entgegensteht.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 16.07.2003; Aktenzeichen B 6 KA 34/02 R)

 

Tenor

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Beschlusses vom 13.03.2001 verurteilt, die gemeinsame Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit der Kläger in einer überörtlichen Gemeinschaftspraxis zu genehmigen. Der Beklagte trägt die erstattungspflichtigen Kosten der Kläger. Die Sprungrevision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Umstritten ist die Genehmigung zur Bildung einer überörtlichen Gemeinschaftspraxis.

Die Kläger sind Fachärzte für Laboratoriumsmedizin, die Kläger zu 1) und 2) mit Praxissitz in Q und der Kläger zu 3) mit Praxissitz in C. Am 01.10.1999 beantragten die Kläger zu 1) und 2) die Führung einer überörtlichen Gemeinschaftspraxis mit dem Kläger zu 3) zu genehmigen. Zur Begründung führten sie aus, die EBM-Reform habe zu einer nicht mehr tragbaren Unterdeckung geführt mit den Folgen der Personalentlassung und der Aufgabe von Untersuchungsverfahren. Zudem sei die Ausübung einer überörtlichen Gemeinschaftspraxis im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen für zulässig gehalten worden.

In ihrer Stellungnahme vom 03.11.1999 führte die Beigeladene zu 2) aus, die gemeinsame Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit von Ärzten in einer Gemeinschaftspraxis drücke sich neben der gemeinsamen Beschäftigung von Praxispersonal insbesondere in der gemeinschaftlichen Behandlung der Patienten und der gemeinschaftlichen Karteiführung und Abrechnung aus. Sie erfordere im Hinblick auf die im Vertragsarztrecht enthaltenen Grundsätze zum Vertragsarztsitz und zur Präsenz- sowie Residenzpflicht eine räumliche Einheit bei der Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit. Aus diesen Gründen könne dem Antrag auf Genehmigung einer überörtlichen Gemeinschaftspraxis nicht entsprochen werden. Ebenso sah auch die Beigeladene zu 1) ausweislich ihrer Stellungnahme vom 17.11.1999 keine Rechtsgrundlage für die Gründung einer überörtlichen Gemeinschaftspraxis. Darin heißt es, zwischen Fachgruppen, die patientenbezogen arbeiteten und Fachgruppen, die keinen unmittelbaren Patientenkontakt hätten, könne kein Unterschied gemacht werden. Im Übrigen sei auch die Berufsausübungsgemeinschaft nach Kapitel D II Nr. 8 des Berufsausübungsgesetzes der Ärztekammer Westfalen-Lippe nur zulässig, wenn die Tätigkeit an einem gemeinsamen Praxissitz ausgeübt werde.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Berufungsausschuss mit Beschluss vom 13.03.2001 zurück und führte dazu aus, entscheidend sei, dass die gemeinsame Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit an ein und demselben Vertragsarztsitz erfolge, sonst stelle sie keine Gemeinschaftspraxis im Sinne des § 33 Abs. 2 Ärzte-ZV dar. Rechtlich handele es sich mithin um eine einheitliche Praxis mit einem Vertragsarztsitz. Diese Definition schließe eine gemeinsame Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit zwischen Ärzten aus, die verschiedene Vertragsarztsitze hätten. Eine wie auch immer geartete Zusammenarbeit solcher Ärzte falle nicht unter § 33 Abs. 2 Ärzte-ZV und sei deshalb nach Vertragsarztrecht weder genehmigungspflichtig noch genehmigungsfähig. Ob eine solche Zusammenarbeit nach anderen Vorschriften, etwa dem Berufsrecht, genehmigungsfähig oder anzeigepflichtig sei, könne dahinstehen, da diese Frage nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sei. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Regelung über Ärztliche Berufsausübungsgemeinschaften in Abschnitt D II Nr. 8 der Berufsordnung der Ärztekammer Westfalen-Lippe. Zwar sei nach dem Berufsrecht eine Berufsausübungsgemeinschaft zwischen Ärzten, die nicht patientenbezogen tätig seien, mit verschiedenen Vertragsarztsitzen zulässig. Jedoch werde nichts darüber gesagt, ob es sich bei dieser Art der Zusammenarbeit um eine gemeinsame Ausübung ver...

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