Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhaus. Auslegung einer Vergütungsregelung zur Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen. Verbindlichkeit der Inhalte der Prüfverfahrensvereinbarung (juris: PrüfvVbg)
Orientierungssatz
1. Eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt (stRspr, vgl zB BSG vom 8.11.2011 - B 1 KR 8/11 R = BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2 RdNr 27).
2. Die Inhalte der PrüfvVbg sind für die Krankenkassen, den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung und die zugelassenen Krankenhäuser zwar unmittelbar verbindlich. Diese Verbindlichkeit bezieht sich aber nur auf das Prüfungsverfahren selbst, nicht auf ein sich hieran anschließendes Gerichtsverfahren.
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 23.799,53 EUR nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.02.2016 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Zahlung einer Krankenhausbehandlung.
Der bei der Beklagten versicherte Herr E I (geb. am 00.00.1995) wurde in der Zeit vom 19.05.2015 bis 27.05.2015 im Krankenhaus der Klägerin stationär behandelt.
Die Klägerin stellte für diese Behandlung auf der Grundlage der DRG F03A (Herzklappeneingriff mit Herz-Lungen-Maschine mit komplizierender Konstellation oder pulmonale Endarteriektomie) eine Rechnung in Höhe von 28.749,31 EUR aus, die am 02.06.2015 bei der Beklagten einging.
Die Beklagte beglich die Rechnung vollständig, beauftragte jedoch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) am 16.06.2015 mit einer Einzelfallprüfung. Dieser zeigte mit einem Schreiben vom 17.06.2015 die Prüfung gegenüber der Klägerin an. Der MDK forderte den Entlassungsbericht, Dokumente zu den OPS-Kodes 8-812.61 (Transfusion von Plasma, Plasmabestandteilen und Infusion von Volumenersatzmitteln: normales Plasma) und 8-800.f1 (Transfusion von 2 Apherese-Thrombozytenkonzentraten) sowie den OP-Bericht an.
Der MDK gelangte in einem Gutachten vom 09.11.2015 durch Frau Dr. I1 zu der Einschätzung, dass die DRG F69A (Herzklappenerkrankungen mit äußerst schweren oder schweren CC) abzurechnen sei. Die MDK-Ärztin führte unter anderem aus, dass verschiedene Prozeduren zu streichen seien, weil der OP-Bericht von der Klägerin nicht vorgelegt worden sei. Die Gabe von Apherese-Thromozytenkonzentraten könne nicht abgerechnet werden, weil eine Transfusion nicht belegt sei. Gleiches gelte für die Transfusion von Plasma.
Die Beklagte forderte die Klägerin zur Rückerstattung des Differenzbetrages zwischen der DRG F03A und F69A, mithin 23.799,53 EUR auf. Nachdem diese darauf nicht reagiert hatte, verrechnete die Beklagte den Forderungsbetrag am 16.02.2016 mit einer unbestrittenen Forderung in Höhe von 23.799,53 EUR betreffend den Behandlungsfall M T (stationäre Behandlung vom 12.01.2016 bis 28.01.2016).
Am 18.03.2016 hat die Klägerin Zahlungsklage erhoben, mit der sie den verrechneten Betrag in Höhe von 23.799,53 EUR geltend macht.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 23.799,53 EUR nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.02.2016 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte beruft sich auf die Ausführungen des MDK. Ergänzend trägt sie vor, dass die Klägerin es versäumt habe, die zur Prüfung der streitigen Prozeduren erforderlichen Unterlagen innerhalb von vier Wochen ab Zugang der Anforderung an den MDK zu übermitteln. Dies sei ausweislich des MDK-Gutachtens nicht geschehen. Die Klägerin sei daher mit einer Geltendmachung der Forderung gemäß § 7 Abs. 2 der "Vereinbarung über das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Absatz 1c SGB V (Prüfverfahrensvereinbarung - PrüfvV) gemäß § 17c Absatz 2 KHG" (im Folgenden: PrüfvV) ausgeschlossen.
Die Klägerin hat daraufhin erwidert, dass sie am 22.06.2015 alle Unterlagen an den MDK verschickt habe. Die streitigen Prozeduren seien in den übersandten Unterlagen eindeutig belegt. Wenn aus Sicht des MDK etwas gefehlt hätte, sei dieser verpflichtet gewesen, die entsprechenden Unterlagen nachzufordern. Im Übrigen sei die Frist in § 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV keine Ausschlussfrist, anders als § 6 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV oder § 8 Satz 4 PrüfvV. Zudem stelle sich die Frage, ob § 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV überhaupt von der Ermächtigung in § 17c Abs. 2 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) umfasst sei.
In einer vom Gericht angeforderten Stellungnahme vom 24.06.2016 hat der MDK angegeben, dass die Klägerin den angeforderten OP-Bericht nicht vorgelegt habe.
Die Klägerin hat daraufhin erklärt, dass auch der OP-Bericht an den MDK übersandt worden sei. Darüber hinaus sei in dem Entlassungsbericht und der Intensivkurve die Therapie beschrieben...