Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage. Minderung des Arbeitslosengeld II. Sanktionsbescheid und Aufhebungsbescheid als rechtliche Einheit. Streitgegenstand. Rechtsschutzbedürfnis. Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Sanktion wegen Nichterfüllung von Pflichten aus Eingliederungsvereinbarung. Vorlage von Einnahmen-Überschussrechnungen oder Gewinn- und Verlustrechnungen
Leitsatz (amtlich)
1. Statthafter und regelmäßig zur Rechtsverfolgung ausreichender Hauptsacherechtsbehelf ist bei Sanktionsfeststellungsbescheiden nach § 31b Abs 1 S 1 SGB 2 grundsätzlich die isolierte Anfechtungsklage nach § 54 Abs 1 S 1 Alt 1 SGG. Statthafter und regelmäßig zur Rechtsverfolgung ausreichender Rechtsbehelf des einstweiligen Rechtsschutzes ist in diesen Fällen grundsätzlich der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs 1 S 1 Nr 2 SGG, verbunden mit dem Annexantrag auf Aufhebung der Vollziehung nach § 86b Abs 1 S 2 SGG.
2. Im Falle eines dem Erlass des Sanktionsfeststellungsbescheides vorangegangenen Erlasses eines ungeminderte Leistungen bewilligenden Bescheides richtet sich die Anfechtungsklage gegen die rechtliche Einheit (Regelungseinheit), bestehend aus dem Sanktionsfeststellungsbescheid nach § 31b Abs 1 S 1 SGB 2 und der ihn "umsetzenden" Aufhebungsverfügung nach § 48 SGB 10, und ist Streitgegenstand der Leistungsanspruch des von der Sanktion betroffenen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten im Sanktionszeitraum dem Grunde und der Höhe nach. Ein Eilantrag ist in einem solchen Fall nicht nur auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs gegen die Sanktionsverfügung und auf Aufhebung ihrer Vollziehung, sondern auch gegen die Aufhebungsverfügung nach § 48 SGB 10 und auf Aufhebung ihrer Vollziehung gerichtet.
3. Im Falle des Erlasses des Sanktionsfeststellungsbescheides vor oder gleichzeitig mit dem ersten Bewilligungsbescheid für den Sanktionszeitraum richtet sich die Klage in der Hauptsache gegen die rechtliche Einheit (Regelungseinheit), bestehend aus dem Sanktionsfeststellungsbescheid und dem die Sanktion "umsetzenden", geminderte Leistungen festsetzenden Bewilligungsbescheid, im Sinne eines einheitlichen Bescheids zur Höhe des Arbeitslosengeldes II in dem von der Absenkung betroffenen Zeitraum. Eines gesonderten Rechtsbehelfs gegen den Bewilligungsbescheid bedarf es nicht. Statthafte und ausreichende Klageart ist jedenfalls nach der seit dem 1.4.2011 geltenden Rechtslage auch in diesem Fall regelmäßig - wenn nicht geltend gemacht wird, dass der Bewilligungsbescheid auch unabhängig von der Sanktion eine Beschwer enthält - die isolierte Anfechtungsklage, nicht die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (entgegen BSG vom 15.12.2010 - B 14 AS 92/09 R = SGb 2011, 92 - juris RdNr 16), und Streitgegenstand ist regelmäßig allein der Sanktionsfeststellungsbescheid (insoweit Anschluss an LSG München vom 30.1.2014 - L 7 AS 85/13 = NZS 2014, 270 - juris Leitsatz Nr 2 und Rn 25ff). Statthafter Eilrechtsbehelf ist auch in einem solchen Fall der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs gegen die Sanktion nebst dem Antrag auf Aufhebung ihrer Vollziehung.
4. Einem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung fehlt nicht deshalb das Rechtsschutzbedürfnis, weil der Vollziehungszeitraum des Sanktionsbescheides vor oder nach Rechtshängigkeit des Eilantrages bei Gericht abgelaufen ist.
5. Eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung scheidet aus, wenn der Hauptsacherechtsbehelf offensichtlich unzulässig ist und entweder kein Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt worden ist, oder ein solcher Antrag zwar gestellt worden ist, aber bei prognostischer Betrachtung offensichtlich aussichtslos ist.
6. Im Rahmen der Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Sanktion nach § 31 Abs 1 S 1 Nr 1 Alt 1 SGB 2 findet keine inzidente "Rechtmäßigkeitskontrolle" der Eingliederungsvereinbarung (§ 15 Abs 1 SGB 2) statt, wie sie bei einem Eingliederungsverwaltungsakt nach § 15 Abs 1 S 6 SGB 2 durchzuführen sein kann, sondern lediglich eine inzidente "Wirksamkeitskontrolle". Bei einer Eingliederungsvereinbarung handelt es sich um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag iS der §§ 53ff SGB 10. Prüfungsmaßstab für ihre Wirksamkeit sind § 15 SGB 2 und § 40 Abs 1 S 1 SGB 2 iVm §§ 53ff SGB 10.
7. Zur Frage der Rechtmäßigkeit einer Sanktion nach § 31 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 2 wegen der Weigerung, eine Pflicht aus einer Eingliederungsvereinbarung nach § 15 Abs 1 SGB 2 zu erfüllen, monatlich Einnahmen-Überschussrechnungen (EÜR) oder Gewinn- und Verlustrechnungen (GuV) einzureichen, insbesondere nach dem Maßstab des § 58 Abs 2 Nr 4 SGB 10.
Tenor
Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes um die Vollziehbarkeit...