Entscheidungsstichwort (Thema)
Asylbewerberleistung. Grundleistung. Verpflichtungserklärung hinsichtlich der Kosten für den Lebensunterhalt eines Ausländers. verfassungskonforme Auslegung. Anspruch auf Leistungen bei Krankheit nach § 4 Abs 1 AsylbLG
Orientierungssatz
1. Aufgrund einer Verpflichtungserklärung iS des § 68 AufenthG 2004 werden gem § 8 Abs 1 AsylbLG Leistungen nach dem AsylbLG nicht gewährt, soweit der erforderliche Lebensunterhalt anderweitig tatsächlich gedeckt wird. Einem Anspruch auf Grundleistungen nach § 3 AsylbLG steht eine solche Erklärung dann nicht entgegen, wenn sich der Verpflichtete weigert, den Lebensunterhalt des Angehörigen tatsächlich sicher zu stellen. Nur diese Auslegung ist bezüglich des verfassungsrechtlich garantierten Anspruchs auf Sicherung des Existenzminimums gem Art 1 Abs 1, 20 Abs 1 GG verfassungskonform (vgl BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 = BVerfGE 125, 175 = NJW 2010, 505).
2. Zum Anspruch auf Leistungen bei Krankheit nach § 4 Abs 1 AsylbLG kann auch eine Operation an der Wirbelsäule gehören, wenn diese Operation unaufschiebbar und erforderlich ist.
Tenor
Die Antragsgegnerin wird im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig für die Zeit ab April 2011 bis Juni 2011 Leistungen nach §§ 3 f Asylbewerberleistungsgesetz einschließlich der notwendigen Kosten für die Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände zu gewähren. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt. Die Kosten der Antragstellerin werden der Antragsgegnerin auferlegt. Der Antragstellerin wird Prozesskostenhilfe bewilligt und zu ihrer Vertretung Rechtsanwalt x. beigeordnet.
Gründe
I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Antragstellerin ab April 2011 Leistungen nach § 3 f Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) einschließlich der Kosten für die Behandlung von Krankheiten beanspruchen kann.
Die x. geborene Antragstellerin reiste am 23.05.2010 mit einem Besuchsvisum aus x. nach Deutschland ein. Zuvor hatte der frühere Schwiegersohn der Antragstellerin, der in x. lebende und beruflich als Lehrer tätige x., unter dem 27.04.2010 eine Verpflichtungserklärung gegenüber der Bundesrepublik Deutschland abgegeben, worin er sich verpflichtete, nach § 68 Aufenthaltsgesetz die Kosten für den Lebensunterhalt und die Kosten für die Ausreise der Antragstellerin zu tragen.
Nach Ablauf des Besuchsvisums reiste die Antragsteller nicht nach x. zurück, sondern verblieb in Deutschland, wo sie unter dem 06.09.2010 einen Asylantrag stellte, über den nach Mitteilungen der Beteiligten bisher noch nicht entschieden worden ist.
Die Antragsgegnerin gewährte der Antragstellerin auf deren Antrag vom Januar 2011 hin zunächst Leistungen nach § 3 f AsylbLG, stellte diese Leistungen aber mit Bescheid vom 30.03.2011 ein, nachdem sie im März 2011 von der o.g. Verpflichtungserklärung des Herrn x. erfahren hatte. Zur Begründung führte die Antragsgegnerin im o.g. Bescheid aus, die Antragstellerin müsse sich hinsichtlich der Sicherstellung ihres Lebensunterhaltes an Herrn x. wenden. Ansprüche nach dem AsylbLG seien wegen anderweitiger Bedarfsdeckung i.S.d. § 8 AsylbLG ausgeschlossen.
Hiergegen hat die Antragstellerin Widerspruch eingelegt, über den bisher noch nicht entschieden wurde.
Am 31.03.2011 hat die Antragstellerin einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, zu dessen Begründung sie ausführt, Herr x. habe sich u.a. mit dem Hinweis geweigert, ihren Lebensunterhalt sicher zu stellen, seine Verpflichtungserklärung habe sich nur auf den Zeitraum der Dauer des Besuchsvisums bezogen. Auch ihre in x. lebende Tochter x. sei nicht in der Lage, ihren Lebensunterhalt sicher zu stellen, weil diese mit ihren drei minderjährigen Kindern im Leistungsbezug nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) stehe. Wegen starker Schmerzen sei sie - die Antragstellerin - auf eine stationäre Krankenhausbehandlung (Dekompression der Höhe LWK 5/SWK 1 wegen hochgradiger Spinalkanalstenose) angewiesen. Bei der jüngsten Vorsprache sei sie von der Antragsgegnerin darauf hingewiesen worden, dass sie derzeit keine weiteren Medikamente beanspruchen könne, weil ihr bereits zuvor ausreichende Vorräte zur Verfügung gestellt worden seien.
Die Antragstellerin beantragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr ab April 2011 vorläufig Leistungen nach § 3 AsylbLG einschließlich Krankenhilfe zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzulehnen.
Sie hält an ihrer im Verwaltungsverfahren vertretenen Rechtsauffassung fest und verweist ergänzend auf eine Mitteilung des Herrn x. vom 15.04.2011, wonach für die Antragstellerin noch immer ein gültiges Rückflugticket vorliege. Zudem stehe es der Antragstellerin frei, bei Vorliegen eines entsprechenden Bedarfes wie z.B. bei benötigten Medikamenten jederzeit vorzusprechen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltung...