Entscheidungsstichwort (Thema)
Freistellung von Kosten für selbstbeschaffte häusliche Krankenpflege in Form von Medikamentengaben durch die Krankenkasse
Orientierungssatz
1. Nach § 37 Abs. 2 S. 1 SGB 5 erhalten Versicherte in ihrem Haushalt oder ihrer Familie als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn sie zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist. Häusliche Krankenpflege ist u. a. dann nicht notwendig, wenn die erforderlichen Behandlungspflegemaßnahmen bei der Feststellung des Leistungsanspruchs gegen die Pflegeversicherung berücksichtigt worden sind.
2. Gemäß § 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB 11 kann hinsichtlich der Leistungspflicht der Pflegeversicherung nur die Hilfe bei der Nahrungsaufnahme selbst und die letzte Vorbereitungsmaßnahme angerechnet werden, soweit eine solche nach Fertigstellung der Mahlzeit krankheits- oder behinderungsbedingt erforderlich ist.
3. Ist Hilfebedarf für das Herrichten und Verabreichen von Medikamenten täglich erforderlich, so stellen die hierzu erforderlichen Maßnahmen keine Pflegemaßnahme i. S. des SGB 11 dar; vielmehr sind sie medizinisch notwendige Behandlungspflegemaßnahmen i. S. von § 37 Abs. 2 S. 1 SGB 5. Bei Selbstbeschaffung durch den Versicherten sind sie deshalb diesem vom Krankenversicherungsträger nach § 13 Abs. 3 SGB 5 zu erstatten.
Tenor
Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 15.04.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.06.2002 verurteilt, die Klägerin von den Kosten der selbstbeschafften häuslichen Krankenpflege in Form von 2x täglichen Medikamentengaben in der Zeit vom 01.04.2002 - 30.06.2002 in Höhe von 892,42 EUR freizustellen. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Freistellung von Kosten für eine selbstbeschaffte häusliche Krankenpflege in Form von Medikamentengaben. Die am geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin steht seit dem Jahr 2001 unter Betreuung. Im streitgegenständlichen Zeitraum lebte sie gemeinsam mit ihrem Ehemann in einem Haushalt. Sie bezog Leistungen nach der Pflegestufe l von der Pflegeversicherung. Eine Begutachtung der Klägerin zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit im Juli 2000 ergab leichte Einschränkungen des Kurzzeitgedächtnisses. Der Ehemann der Klägerin ist ebenfalls pflegebedürftig, bezieht Leistungen nach der Pflegestufe I von der Pflegeversicherung und steht ebenfalls unter Betreuung. Die ihm verordneten Medikamente kann er nicht allein einnehmen. Im streitgegenständlichen Zeitraum suchte der beauftragte Pflegedienst zweimal täglich den Haushalt auf und richtete die Medikamente. Im März 2002 verordnete der behandelnde Facharzt für Allgemeinmedizin für die Zeit vom 01.04.2002 bis zum 30.06.2002 häusliche Krankenpflege zur Sicherung des ärztlichen Behandlungserfolgs in Form des Herrichtens und Verabreichens von Medikamenten zweimal täglich. Als verordnungsrelevante Diagnosen gab er an; Herzinsuffizienz, HOPS, Zustand nach chronisch-ischämischer Herzerkrankung sowie Synkopenneigung. Er wies zudem auf eine Einschränkung der geistigen Leistungsfähigkeit der Klägerin hin. Die Beklagte erteilte unter dem 15.04.2002 einen Bescheid, wonach die verordneten Medikamentengaben nicht gesondert durch die Krankenversicherung vergütet werden könnten. Die Klägerin erhalte bereits Leistungen der Pflegeversicherung in Form der Hilfe bei der mundgerechten Nahrungszubereitung/ Nahrungsaufnahme. Eine gesonderte Vergütbarkeit durch die Krankenversicherung entfalle daher aufgrund des Urteils des Bundessozialgerichts vom 30.10.2001, 8 3 KR 2/01 R. Es bestehe objektiv notwendig ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang zwischen den Leistungen der Pflegeversicherung und der Medikamentengabe. Dagegen legte der Betreuer der Klägerin Widerspruch ein. Die Beklagte hielt eine Anfrage bei Sie informierte ihn in diesem Zusammenhang über das zitierte Urteil des Bundessozialgerichts und stellte ihm folgende Frage: "Sollen alle verordneten Medikamente im zeitlichen Zusammenhang mit der Nahrungsaufnahme eingenommen werden?". Das Anschreiben der Beklagten enthielt die Möglichkeit, hierzu die Alternativen ja oder nein anzukreuzen ...bejahte die Frage. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch daraufhin mit Bescheid vom 12.06.2002 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, es bestehe ein objektiv notwendiger Zusammenhang im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Das ergebe sich zum einen daraus, dass die Einnahmesicherheit durch die Verbindung der Medikamentengaben mit der Nahrungsaufnahme gewährleistet werden solle. Zum anderen ergebe sich dies auch aus der von ... eingeholten Auskunft. Hiergegen richtet sich die am 12.07.2002 erhobene Klage, mit der die Freistellung von Kosten der zwischenzeitlich selbstbeschafften Leistungen begehrt wird. Zur Begründung trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, die medizinisch unstreitig notwendigen verordneten Behandlungspf...