Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei einem Reiseleiter
Orientierungssatz
1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn die Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis unter einer Weisungsgebundenheit verrichtet wird und eine Eingliederung in einen fremden Betrieb vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch das eigene Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.
2. Ist ein für ein Reiseunternehmen tätiger Reiseleiter in der Gestaltung der Tagespläne nicht den Weisungen seines Auftraggebers, sondern ausschließlich den Wünschen der Reisenden unterworfen, setzt er bei seiner Tätigkeit eigenes Kapital in Form von Ausrüstung für die Reisenden ein, ist er bei einer Schlechtleistung schadensersatzpflichtig, hat er ein eigenes Gewerbe angemeldet, erhält er als Vergütung eine Tagespauschale von seinem Auftraggeber und ist es ihm erlaubt, für weitere Auftraggeber tätig zu werden, so ist von dem Bestehen einer abhängigen Beschäftigung auszugehen.
Tenor
Der Bescheid der Beklagten vom 20.11.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.04.1998 wird aufgehoben. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Nachforderung von Pflichtbeiträgen zur gesetzlichen Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung sowie zur Bundesanstalt für Arbeit für die Zeit vom 16.11.1995 bis zum 12.01.1997 (mit Unterbrechungen) aufgrund der Beschäftigungs-verhältnisse ihrer Mitarbeiter, den Beigeladenen. Am 27./28.11.1996 und 07.08.1997 nahm die Beklagte bei der Klägerin eine Betriebsprüfung nach § 28 p Sozialgesetzbuch -Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) vor. Der Betriebsprüfer stellte dabei fest, dass in der Zeit vom 27.11.1996 bis zum 28.11.1996 zwischen den Beigeladenen und der Klägerin Reiseleiterverträge abgeschlossen worden sind. Nach diesen Verträgen waren die Beigeladenen "auf freier Mit-arbeiterbasis" tätig. Beiträge zur Sozialversicherung wurden für die Beigeladenen nicht abgeführt. Für die Beigeladenen wurden Reiseleiterverträge in dem fraglichen Zeitraum für folgende Zeiten abgeschlossen: Herrn K am: 08.06.1995 am: 31.01.1996 (zwei Verträge) am: 08.05.1996 (zwei Verträge) am: 18.08.1996 (zwei Verträge) Herrn L am: 30.09.1995 am: 04.12.1995 am: 05.02.1996 (zwei Verträge) am: 27.04.1996 am: 10.06.1996 (zwei Verträge) am: 16.07.1996 am: 19.07.1996 am: 09.08.1996
Frau T am: 30.11.1995 am: 08.03.1996 am: 12.06.1996 (vier Verträge) am: 17.07.1996 (drei Verträge) Frau am: 11.10.1995 am: 04.12.1995 am: 19.01.1996 am: 26.02.1996 am: 15.03.1996 am: 03.05.1996 (drei Verträge) am: 06.05.1996 am: 09.10.1996
Die Reiseleiterverträge waren wie folgt formuliert: "S 1 GEGENSTAND DES VERTRAGES Der RL übernimmt im Auftrag der Firma Reisen GmbH auf der Reise vom bis Tage die Aufgabe, für eine ordnungsgemäße Reiseleitung zu sorgen und die Gäste freundlich und höflich zu betreuen. Insbeson-dere hat der RL die den Reiseunterlagen beigefügten allge-meinen Grundsätze für eine ordnungsgemäße Reiseleitung zu beachten. Im Rahmen seines Auftrages hat der RL notwendig werdende Entscheidungen eigenverantwortlich zu treffen. Bei vorsätzlich oder grob fahrlässig verursachten Schlechtleistungen ist er &9658;Reisen GmbH gegenüber schadenersatzpflichtig. Der RL ist gehalten mindestens einmal pro Jahr an einem der firmeninternen Seminare teilzunehmen. Kurzfristige Änderungen des Einsatzortes und Termines aus organisatorischen Gründen bleiben vorbehalten. Der Reiseveranstalter kann vom Vertrag zurücktreten, wenn die geplante Reise nicht zustandekommt (z. B. Nichterreichen der Mindestteilnehmerzahl) oder die vereinbarte Reiseleitung nicht erforderlich wird (z. B. geschl. Gruppe mit eigenem RL). Ansonsten ist eine Kündigung des Vertrages nur aus wichtigem Grund zulässig. Tritt der RL aus wichtigem Grund zurück, ist dieser in geeigneter Form (ärztliches Attest) nachzuweisen. Eine anderweitige Festeinstellung ist kein wichtiger Grund. § 2 HONORAR a. Der RL erhält für die Durchführung dieses Auftrages ein Pauschalhonorar von DM ...(in Worten. vorausgesetzt, die Mindestteilnehmerzahl wurde erreicht b. Die Kosten für die An- und Abreise zum Einsatzort sowie die Unterkunft werden von Reisen GmbH übernommen. Die Verpflegung ist nur dann enthalten, wenn diese als Leistung im jeweiligen Programm aufgeführt ist. c. Die Anreisekosten zum Zustiegsort in Höhe einer 2. Klasse Bahnfahrkarte werden ebenfalls übernommen. Die Bahnfahr-karte ist rechtzeitig bei Reisen GmbH zu beantragen. Der Zustiegsort wird vom Veranstalter festgelegt. d. Für die Einsatzzeit wird der RL unfall-, haftpflicht- und krankenversichert. 4 STATUS DES REISELEITERS, Der RL ist selbständig tätig unter Beachtung der in § 1 er- wähnten allgemeinen Grun...