Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Sonderbedarfszulassung. Überweisungspraxis. Orientierung an Patientenwunsch. Überlastung. Eintritt eines Jobsharers
Orientierungssatz
1. Für eine Überweisungspraxis, die sich im Wesentlichen nur an dem entsprechenden Wunsch der Patienten orientiert, ist durchaus Raum (vgl BSG vom 12.9.2001 - B 6 KA 86/00 R = SozR 3-2500 § 116 Nr 23).
2. Eine Überlastung lässt sich jedenfalls allein weder mit dem Hinweis auf fehlende Wartezeiten noch damit verneinen, dass eine solche Überlastung nach Eintritt eines Vertragsarztes in eine Praxis als Jobsharer wesentlich reduziert sei.
3. Im Rahmen der Prüfung eines Antrags auf Sonderbedarfszulassung darf einem Vertragsarzt nicht entgegengehalten werden, dass ein wegen einer evtl Überlastung des anderen Vertragsarztes anzunehmender Bedarf durch die Tätigkeit eines Vertragsarztes als Jobsharer nunmehr gedeckt sei.
Tenor
Der Beschluss des Beklagten vom 14.09.2011 wird aufgehoben; der Beklagte wird verurteilt, über die Widersprüche der Beigeladenen zu 7) und 8) unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Der Beklagte und die Beigeladene zu 7) tragen die notwendigen Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen zu 1) bis 6) und 8), die diese Kosten selbst zu tragen haben.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über eine Sonderbedarfszulassung des Klägers.
Der Kläger ist fachärztlich tätiger Internist, Schwerpunkt Hämatologie und Onkologie, Zusatzbezeichnung Hämostaseologie, und war zeitweilig Leitender Oberarzt der Ambulanz der Klinik für Hämatologie sowie geschäftsführender Oberarzt des Westdeutschen Tumorzentrums. Seit 21.07.2011 ist er im Rahmen eines Jobsharings nach § 101 Abs. 1 Nr. 4 SGB V in Berufsausübungsgemeinschaft mit Frau Dr. tätig.
Am 10.12.2010 hatte er beantragt, zum 01.07.2011 im Wege der Sonderbedarfszulassung nach § 24 b und c BedarfsPl-RL zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen zu werden, und zwar in einer fachgleichen Gemeinschaftspraxis mit Frau Dr. in Bochum, K-Sr-P.
Zur Begründung dieses im Februar 2011/April 2011 vervollständigten Antrags machte er geltend: Im Planungsbereich Bochum nehme an der vertragsärztlichen Versorgung im Bereich Hämatologie und Onkologie außer Frau Dr. nur noch die Beigeladene zu 8) mit ihrer Praxis in der teil. Zwei Hämato-Onkologen reichten aber nicht aus, um den diesbezgl. Bedarf einer Stadt mit ca. 360.000 Einwohnern zu decken. In Gelsenkirchen gebe es für nur 260.000 Einwohner drei niedergelassene Hämato-Onkologen, von denen einer seine Zulassung wegen Sonderbedarfs erhalten habe. Dass dementsprechend auch zusätzlicher Bedarf in Bochum bestehe, werde durch die hier für mehrere Krankenhausärzte erteilten persönlichen Ermächtigungen bestätigt. Soweit die Beigeladene zu 7) auf eine Vorabanfrage von Frau Dr. unter dem 21.9.2007 auf die Versorgung durch niedergelassene Hämato-Onkologen in den angrenzenden Planungsbereichen verwiesen habe, sei von ihr verkannt worden, dass sowohl nach den speziellen rechtlichen Anforderungen für die Ermittlung des Sonderbedarfs nach § 24 b BedarfsPl-RL als auch nach den vom BSG entwickelten allgemeinen Rechtsgrundsätzen für die Bedarfsermittlung ausschließlich auf etwaige Versorgungsmöglichkeiten im Planungsbereich abzustellen sei. Sollten Patienten zur hämato-onkologischen Versorgung tatsächlich Ärzte in Werne und Witten aufsuchen müssen, belege dies den Sonderbedarf in Bochum. Im Übrigen seien auch die Voraussetzungen für eine qualitätsbezogene Ausnahme nach § 24 c BedarfsPl-RL erfüllt.
Der Zulassungsausschuss gab für die Stadt Bochum für die Fachgruppe fachärztlich tätiger Internisten einen Versorgungsgrad von 207,4 % an und bat die Beigel zu 1) bis 7) um Stellungnahme zum Antrag des Klägers.
Die Beigeladene zu 7) teilte unter dem 16.03.2011 mit: Die onkologische Versorgung der 378.596 Einwohner Bochums werde durch die beiden onkologischen Schwerpunktpraxen gewährleistet, die nur 1,4 km voneinander entfernt lägen. Nur die Praxis von Frau Dr. weise überdurchschnittliche Fallzahlen auf; die Praxis der Beigeladenen zu 8) verfüge noch über Behandlungskapazitäten. Die Fallzahlen seien in den letzten drei Jahren nicht signifikant gestiegen. Eine Patientenabwanderung in andere Planungsbereiche lasse sich nicht bestätigen. In Gelsenkirchen beständen nur zwei Vertragsarztsitze, nämlich für eine Jobsharing-Gemeinschaftspraxis und eine Sonderbedarfszulassung. Beigefügt hatte die Beigeladene zu 7) eine Aufstellung der Versorgungsdaten und Patientenströme der beiden Bochumer Praxen sowie einen Überblick über die bestehenden Ermächtigungen von onkologisch tätigen Krankenhausärzten in Bochum und deren Fallzahlen.
Unter Bezug auf diese Stellungnahme sprachen sich auch die Beigel zu 1) sowie die Beigeladene zu 3) - zugleich im Namen der Beigel zu 2) - gegen die beantragte Zulassung aus.
Der Kläger machte demgegenüber geltend: Nach den Feststellungen der Beigeladenen zu 7) sei davon auszugehen, dass die Fallzahlen der be...