Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsprüfung. Beitragsnachforderung. Zulässigkeit eines Summenbescheides. personenbezogene Feststellungen erforderlich auch bei verwaltungsmäßigem Mehraufwand. Verhältnismäßigkeit
Orientierungssatz
1. Eine personenbezogene Feststellung der Versicherungspflicht, der Beitragspflicht und der Beitragshöhe ist, vor allem bei Versicherungen von Rentenanwartschaften der betroffenen Arbeitnehmer von solchem Gewicht, dass sie grundsätzlich auch dann erfolgen muss, wenn es mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden und nur unter Inkaufnahme eines verwaltungsmäßigen Mehraufwandes erreichbar ist. Auch wenn es wegen einer Verletzung der Aufzeichnungspflicht oder sogar aufgrund von Manipulationen des Arbeitgebers unmöglich sein sollte, bei einigen, vielleicht sogar der Mehrzahl der Arbeitnehmer genaue Feststellungen zur Versicherungs- und Beitragspflicht sowie zur Beitragshöhe zu treffen, ist es im Interesse derjenigen Arbeitnehmer, bei denen sich die erforderlichen Tatsachen noch hätten ermitteln lassen, nicht gerechtfertigt, das Erfordernis der personenbezogenen Beitragserhebung insgesamt und damit auch für diese Arbeitnehmer preiszugeben (vgl LSG München vom 21.10.2013 - L 5 R 605/13 B ER).
2. Hinsichtlich der Frage der Verhältnismäßigkeit im Sinne des § 28f Abs 2 Satz 2 SGB 4 ist eine Relation zwischen der Höhe der Gesamtsozialversicherungsbeiträge und der Anforderungen an die sich aus § 20 SGB 10 ergebende Ermittlungspflicht herzustellen.
3. Ein Summenbescheid über die Gesamtsozialversicherungsbeiträge ist nur dann zulässig, wenn die Zuordnung der Beiträge zu den einzelnen Personen nicht möglich ist (vgl BSG vom 31.10.2012 - B 12 R 1/11 R = SozR 4-2400 § 14 Nr 16; LSG München vom 21.10.2013, L 5 R 605/13 B ER aaO).
Tenor
Der Bescheid vom 20.7.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.6.2011 wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Der Streitwert wird auf 69.109,24 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um eine Beitragsnachforderung in Höhe von insgesamt 69.109,24 €, wobei hiervon 25.342,50 € auf Säumniszuschläge entfallen.
Der Kläger betreibt ein Bauunternehmen, in dessen Rahmen er in den Jahren 2003-2007 verschiedene Arbeitnehmer gegen Entgelt beschäftigte. Durch das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung Hagen - Steuerfahndungsstelle - erfolgte eine steuerliche Fahndungsprüfung gegen den Kläger. Im Bericht vom 5.2.2010 über die strafrechtlichen Feststellungen im Rahmen der Fahndungsprüfung stellte das Finanzamt fest, dass für die Monate November 2003 bis Dezember 2007 falsche Lohnsteueranmeldungen abgegeben worden seien. Im genannten Zeitraum habe der Kläger 51 Personen, die im genannten Fahndungsbericht mit Namen, Vornamen, Geburtsdatum und Wohnort sowie Zeitraum der sozialversicherungsrechtlichen Anmeldung und Art des Beschäftigungsverhältnisses (geringfügig oder nicht geringfügig) aufgelistet waren, sozialversicherungs- und lohnsteuerpflichtig beschäftigt. Allerdings habe der Kläger seine Arbeitnehmer nach den getroffenen Feststellungen in der Zeit von November 2003 bis Dezember 2007 teilweise für gewisse Zeiträume trotz Beschäftigung nicht angemeldet oder an diese höheren Lohnlöhne gezahlt, als sie der Lohnversteuerung unterworfen worden sein. Daneben habe der Kläger für die Zeiträume, in denen beschäftigte Arbeitnehmer nicht zur Sozialversicherung angemeldet worden sein, und für die Zeiträume, in denen die gezahlten Entgelte in zu geringem Umfang gemeldet worden seien, rechtswidrig zu geringe Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung gezahlt.
Auf Grundlage dieses Fahndungsberichts und als Ergebnis einer Betriebsprüfung in der Zeit vom 10.3.2010 bis zum 5.5.2010 hörte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 5.5.2010 dazu an, dass sie beabsichtige, einen Betrag von insgesamt 69.109,24 € inklusive Säumniszuschlägen i.H.v. 25.342,50 € nachzufordern. Im Rahmen der Ermittlungen des Finanzamts für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung Hagen seien der Beklagten Sachverhalte bekannt geworden, die auch Konsequenzen im Bereich der Sozialversicherung nach sich zögen. Die sichergestellten Unterlagen des Arbeitgebers seien durch die Beklagte eingesehen worden. Eigene Ermittlungen hätten ergeben, dass es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass die Feststellungen der Steuerfahndung nicht zutreffend sein. Hierbei habe sich ergeben, dass nach dem Ermittlungsergebnis in der Zeit vom November 2003 ist Dezember 2007 Arbeitnehmer gar nicht angemeldet oder an diese höhere Löhne gezahlt worden seien als der Beitragsberechnung unterworfen wurden. Da bisher aufgrund dieser Feststellungen seitens des Klägers keine Beiträge bzw. nicht die vollständigen Beiträge entrichtet worden seien, sei beabsichtigt, diese für die Zeit vom 1.11.2003 bis zum 31.12.2007 nachzufordern. Der Kläger habe Kenntnis von seiner Zahlungspflicht gehabt, weil er die Zahlungen an seine Beschäftigten bewusst außerhalb der ordentlichen Lohn- und Gehaltsabrechnung vorgenommen habe, u...