nicht rechtskräftig
Orientierungssatz
1. Wird durch Nebeneinkommensbescheinigungen des Arbeitgebers der Eindruck einer geringfügig entlohnten Tätigkeit in einem zeitlichen Rahmen unterhalb der Grenze der Kurzzeitigkeit erweckt, obwohl der Arbeitnehmer vollzeitbeschäftigt wird, so liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 321 Nr 1 SGB 3 vor und der Arbeitgeber ist verpflichtet den der Bundesanstalt für Arbeit (BA) nach erfolgter Rückforderung des Arbeitslosengeldes verbleibenden Schaden zu ersetzen.
2. Hat der Arbeitslose eine Arbeitsaufnahme vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht mitgeteilt, so rechtfertigt die Verletzung der Mitteilungspflicht des Arbeitnehmers die Aufhebung der Leistungsbewilligung über die Dauer einer Zwischenbeschäftigung hinaus bis zur erneuten Erfüllung sämtlicher Anspruchsvoraussetzungen (vgl BSG vom 14.12.1995 - 11 RAr 75/95 = BSGE 77, 175 = SozR 3-4100 § 105 Nr 2). Auch der Schadensersatzanspruch gegenüber dem Arbeitgeber umfasst insofern nicht nur das Arbeitslosengeld für alle Tage, an denen der Arbeitnehmer der Vollbeschäftigung nachgegangen ist.
3. Dem Schadensersatzanspruch steht die Schadensminderungspflicht nach § 254 BGB nicht entgegen. Die Kammer folgt der Entscheidung des BSG vom 20.10.1983 - 7 RAr 41/82 = BSGE 56, 20 = SozR 4100 § 145 Nr 3 nicht voll, wenn diese so zu verstehen sein sollte, dass die BA den Arbeitgeber erst dann in Anspruch nehmen kann, wenn und soweit alle Möglichkeiten zum Vorgehen gegen den Arbeitnehmer einschließlich Vollstreckung erfolglos geblieben sind. Diese Auslegung würde dazu führen, dass sowohl bei Schwierigkeiten in der Feststellung des Rückabwicklungsanspruchs gegenüber dem Arbeitnehmer als auch bei zeitaufwändigen Vollstreckungen regelmäßig die nach der Rechtsprechung geltende dreijährige Verjährungsfrist ( § 852 BGB ) den Schadensersatzanspruch gegenüber dem Aussteller der falschen Bescheinigungen verhindern würde. Dem Arbeitgeber bleibt es unbenommen die Frage, wer letztlich den Schaden trägt, im Innenverhältnis zu klären.
Nachgehend
LSG Nordrhein-Westfalen (Aktenzeichen L 12 AL 165/02) |
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin an Schadensersatz 28.586,34 EUR zu erstatten. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin ein Schadensersatzanspruch von (nunmehr) 28.586,34 EUR zusteht.
Die Beklagte bewilligte dem Arbeitnehmer ... mit Bescheid vom 02.11.1994 auf seinen Antrag hin Arbeitslosengeld für 832 Tage ab 08.10.1994 mit Unterbrechung in Höhe von zunächst 376,80 DM wöchentlich. Hierbei wurde das angegebene gelegentliche Nebeneinkommen bei der Klägerin angerechnet. Arbeitslosengeld wurde bis zur Erschöpfung des Anspruchs (26.07.1997) gewährt und im Anschluss daran Arbeitslosenhilfe bis in das Jahr 1998 hinein. Nach einer anonymen Anzeige im Oktober 1997, nach der Herr ... seit ca. zwei Jahren vollzeitig bei der Beklagten tätig sein sollte, erstattete die Klägerin im Februar 1998 Strafanzeige und regte eine Durchsuchung u.a. der Geschäftsgebäude der Beklagten an. Bei der dann im Juli 1998 vorgenommenen Durchsuchung der Geschäftsräume der Beklagten wurden Unterlagen gefunden, nach denen der Arbeitnehmer ... ab 20.10.1994 mit geringen Unterbrechungen durchgehend bis 24. April 1998 vollschichtig beschäftigt war.
Nach Anhörung des Arbeitnehmers machte die Beklagte diesem gegenüber mit Bescheiden vom 17.09.1998 und vom 03.12.1998 die Aufhebung der Leistungsbewilligung für die Zeit ab 20.10.1994 geltend und forderte 67.361,14 DM vom Arbeitnehmer zurück. Der gegen diese Bescheide eingelegte Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 09.02.1999 als unbegründet zurückgewiesen.
Mit Bescheid vom 23.09.1999 erklärte die Beklagte die Aufrechnung gegen die Ansprüche des Arbeitnehmers auf Arbeitslosengeld ab 01.09.1999 in Höhe von 42,70 DM wöchentlich.
Durch Urteil des Amtsgerichts L vom 29.10.1999 (rechtskräftig seit dem 06.11.1999) wurde der Arbeitnehmer wegen Betruges im Zusammenhang mit der genannten Tätigkeit verurteilt. Durch Bewährungsbeschluss wurde ihm aufgegeben, nach besten Kräften den Schaden in Höhe von 66.404,14 DM auszugleichen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten der Staatsanwaltschaft Hagen 21 Js 490/98 verwiesen.
Mit der am 15.02.2001 vor dem Sozialgericht Dortmund erhobenen Klage macht die Klägerin der Beklagten gegenüber Schadensersatz in Höhe von (nunmehr) noch 28.586,34 EUR geltend.
Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin vor: Durch die zumindest fahrlässig falschen Nebenverdienstbescheinigungen habe sie dem Arbeitnehmer zu Unrecht Arbeitslosengeld in der Zeit vom 20.10.1994 bis 25.04.1995 und 30.05.1995 bis 26.07.1997 in Höhe von 55.085,50 DM sowie Arbeitslosenhilfe in der Zeit vom 28.07.1997 bis 30.04.1998 in Höhe von 12.175,64 DM bezahlt. Der Arbeitnehmer sei hierfür erstattungspflichtig. Wegen seiner finanziellen Situation sei jedoch nicht damit zu rechnen, dass die Forderung zu Lebzeiten beglichen werden könne. Es seien zunächst ab 01.09.1999 ...