Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen einer Gewährung von Verletztengeld über die 78. Woche hinaus
Orientierungssatz
1. Gemäß § 46 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 SGB 7 endet das Verletztengeld nach § 45 SGB 7, wenn mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht mehr zu rechnen ist und Leistungen am Arbeitsleben nicht zu erbringen sind.
2. Bei einer Arbeitsunfähigkeit von mehr als drei Jahren ist regelmäßig mit dem Wiedereintritt von Arbeitsfähigkeit nicht mehr zu rechnen.
3. Die erforderlichen Teilhabeleistungen müssen zum Entscheidungszeitpunkt hinreichend konkret sein und der Versicherte muss zudem rehabilitationsfähig sein.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Aufhebung der Entziehung des wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom XX.XX.XXXX gewährten Verletztengeldes nach dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII).
Der am XX.XX.XXXX geborene Kläger erlitt am XX.XX.XXXX einen Impfschaden in Form eines Guillain-Barré-Syndroms (GBS) durch eine betrieblich erforderliche Impfung. Nach einem auch stationären Heilverfahren ließ die Beklagte den Kläger einerseits durch Professor Dr. rer. nat. Dr. med. I, Uniklinik X (Gutachten vom 16.06.2010), und andererseits durch Dr. I2, Praxis J, X2 (Gutachten vom 06.10.2010), begutachten. Beide Gutachter kamen zu dem Ergebnis, dass das GBS durch die Impfungen entstanden sei. Mit Schreiben vom 19.10.2010 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie von einem Zusammenhang zwischen den Impfungen und dem GBS ausgehe, ihre Zuständigkeit grundsätzlich anerkennende, entsprechende Kosten übernähme und die Krankenversicherung angewiesen habe, Verletztengeld zu leisten. Die Feststellung einer Verletztenrente könne allerdings erst nach Wegfall des Verletztengeldes vorgenommen werden.
Ab ca. August 2010 erfolgte eine Arbeits- und Belastungserprobung, anfangs mit einer 2,5 stündigen Belastung, die im November 2010 auf 3 Stunden, im Februar 2011 auf 3,5 Stunden, im April 2011 auf 4 Stunden, im Mai 2011 auf 4,5 Stunden und im Juli 2011 auf 5 Stunden erhöht wurde. Medizinisch wurde dieser Prozess von dem Neurologen und Psychiater Dr. Q, C, begleitet.
Nach einer Vorstellung des Klägers in der neurologischen Klinik und Poliklinik des C2, Professor Dr. U, im Juli 2011 gewährte die Beklagte dem Kläger eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in der T Klinik, I3, ab dem 31.08.2011. Am 21.09.2011 brach der Kläger die Maßnahme ab.
Gegenüber dem zuständigen Berufshelfer der Beklagten gab der Kläger an, dass es im Rahmen der Rehabilitationsmaßnahme zu einer Verschlechterung des Leidens gekommen sei und er deshalb die Maßnahme abgebrochen habe. Zudem teilte der Kläger mit, dass die Arbeits- und Belastungserprobung bis zu 4 Stunden überwiegend gut verlaufen sei. Ab 5 Stunden sei die Belastung grenzwertig (Berufshelferbericht vom 13.10.2011). Die Arbeits- und Belastungserprobung nahm der Kläger mit 4 Stunden täglicher Belastung wieder auf.
Mit Bescheid vom 17.10.2011 gewährte die Beklagte dem Kläger weiterhin Verletztengeld, da sie davon ausging, dass die medizinische Rehabilitation nach weiteren Behandlungsmaßnahmen in Form von Arbeitstherapie und Belastungserprobung voraussichtlich mit Arbeitsfähigkeit abgeschlossen werden könne.
Ab dem Mai 2012 erfolgte eine Erhöhung der täglichen Belastung auf 4,5 Stunden. Diese Belastung musste im Juli 2012 wieder auf 4 Stunden herab gesenkt werden.
Im November 2012 ließ die Beklagte den Kläger abermals medizinisch begutachten. Der Unfallchirurg und Sozialmediziner Dr. B kam dabei zu dem Ergebnis, dass mit einer Besserung des Leistungsvermögens zu rechnen sei. Die Frage nach einer konkreten beruflichen Rehabilitation ließ er offen (Gutachten vom 21.11.2012).
Die vierstündige Belastung im Rahmen der Arbeits- und Belastungserprobung wurde noch bis in das Jahr 2013 durchgeführt.
Im Januar 2013 erfolgte eine weitere Begutachtung des Klägers im Auftrage der Beklagten. Nach einer stationären Aufnahme vom 21.01. bis 23.01.2013 schätzte Prof. Dr. H, Neurologische Klinik des T2-Hospital in C, ein, dass derzeit nicht einzuschätzen sei, wann der Kläger seine bisherige Tätigkeit wieder voll aufnehmen könne. Das Fatigue-Syndrom könne auch über 10 Jahre nach einem durchlittenen GBS persistieren. Über eine berufliche Rehabilitation solle nach der medizinischen Rehabilitation entschieden werden. Derzeit sei keine berufliche Rehabilitation angezeigt. Es wurde allerdings eine medizinische Rehabilitation in der T Klinik in L empfohlen (Gutachten vom 12.02.2013). Auf eine Rückfrage der Beklagten beim Gutachter, ob in absehbarer Zeit von dem Eintritt der Arbeitsfähigkeit auszugehen sei, antwortete dieser lediglich mit "ja" (Eingang der Stellungnahme bei der Beklagten am 30.04.2013). Am Ende der Stellungnahme teilte der Gutachter allerdings auch mit, dass eine erneute Begutachtung in 18 Monaten vorgeschlagen werde, da sich im Längsschnitt besser die prognostische Abschätzung treffen ...