Entscheidungsstichwort (Thema)
Anerkennung eines Unfallereignisses im Rahmen der vormilitärischen Ausbildung in der DDR als Arbeitsunfall
Orientierungssatz
1. Ein Unfallereignis, das i. S. von § 1150 Abs. 2 S. 1 RVO einen Arbeitsunfall nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht darstellt, gilt nicht i. S. dieser Bestimmung als entschädigungspflichtiger Arbeitsunfall, wenn der Unfall nach dem 3. Buch der RVO zu entschädigen wäre.
2. Ist der Unfall einem Träger der bundesdeutschen gesetzlichen Unfallversicherung erst nach dem 31. 12. 1993 bekannt geworden, so ist zu ermitteln, ob die unfallbringende Tätigkeit der versicherten Tätigkeit des Betroffenen zuzurechnen ist.
3. War der Verunglückte im Zeitpunkt des Unfallereignisses Lehrling in einem Volkseigenen Betrieb der ehemaligen DDR und ereignete sich der Unfall während des Lehrverhältnisses im Rahmen einer vormilitärischen Ausbildung, zu deren Teilnahme er nach dem Lehrvertrag verpflichtet war, so ist der Versicherte wegen der Folgen des Unfallereignisses nach dem Recht der RVO nicht zu entschädigen, vgl. BSG, Urteil vom 17. Oktober 1990 - 2 RU 13/90.
4. Denn nach den Vorschriften der RVO sind gesellschaftliche Tätigkeiten und Verpflichtungen nur dann gesetzlich unfallversichert, wenn die Voraussetzungen des § 539 oder eines anderen Versicherungstatbestandes der RVO erfüllt sind. Die Teilnahme an einer vormilitärischen Ausbildung ist weder der Teilnahme an einer Ausbildungsveranstaltung des Bundesamtes für zivilen Bevölkerungsschutz, des Bundesluftschutzverbandes oder des Luftschutzhilfsdienstes noch der beruflichen Aus- und Fortbildung von Lernenden in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, berufsbildenden Schulen, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen gleichzusetzen.
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob ein Unfall des Klägers im Rahmen der vormilitärischen Ausbildung der Gesellschaft für Sport und Technik der DDR (GST) als Arbeitsunfall festzustellen ist.
Der im Jahre 1969 geborene Kläger absolvierte beim VEB F. Dresden eine Lehre als Flugzeugmechaniker und war nach dem Lehrvertrag verpflichtet, während des Lehrverhältnisses an einer vormilitärischen Ausbildung teilzunehmen. Am 23.04.1986 verunfallte er auf einer Sturmbahn der NVA im Gewerbegebiet in Dresden-Klotzsche beim Absprung am Wassergraben. Der Unfall wurde von der Betriebsgewerkschaftsleitung als Arbeitsunfall anerkannt.
Am 15.12.2009 zeigte der Kläger den Unfall der Beklagten an und wies daraufhin, dass es am 24.11.2009 aufgrund der 1986 erlittenen Knieverletzung zu einem Folgeunfall gekommen sei. Beigefügt waren eine Unfallmeldung vom 20.05.1986 und Kopien aus dem Sozialversicherungsausweis DDR. Nach Beiziehung archivierter Krankenunterlagen stellte die Beklagte mit Bescheid vom 29.06.2011 fest, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall nicht gegeben seien. Nach dem Recht der DDR habe Versicherungsschutz aufgrund von § 1 der Verordnung über die Erweiterung des Versicherungsschutzes bei Unfällen in Ausübung gesellschaftlicher, kultureller oder sportlicher Tätigkeiten vom 11. April 1973 bestanden. Derartige Unfälle seien nach § 1150 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RVO nicht zu entschädigen, wenn sie nach dem Dritten Buch der RVO nicht zu entschädigen seien und einem ab 1. Januar 1991 für das Beitrittsgebiet zuständigen Unfallversicherungsträger erst nach dem 31. Dezember 1993 bekannt geworden seien. Bekanntgeworden sei der Unfall im Dezember 2009. Für Unfälle während einer vormilitärischen Ausbildung oder der Zivilverteidigung bestünde nach den Vorschriften der RVO bzw. des Sozialgesetzbuchs VII (SGB VII) kein Versicherungsschutz.
Dem widersprach der Kläger mit Schreiben vom 29.08.2011. Die vormilitärische Ausbildung, zu der er verpflichtet gewesen sei, sei sowohl als Beschäftigung aufgrund eines Lehrverhältnisses als auch als Bildungsmaßnahme im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGB VII anzusehen.
Mit Widerspruchbescheid vom 21.10.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Auch das Arbeitsgesetzbuch der DDR (AGB) habe zwischen Lehrlingsausbildung und vormilitärischer Ausbildung unterschieden. Letztere sei nur durch die Erweiterungsverordnung vom 11.04.1973 unter Versicherungsschutz gestellt worden.
Mit der am 18.11.2011 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren auf Feststellung eines Arbeitsunfalls unter Wiederholung seines Vorbringens aus dem Verwaltungsverfahren weiter. Zur Untermauerung seines Anspruchs stützt er sich auf ein Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 01.12.2011 (Az.: L 6 U 119/07).
Der Kläger beantragt daher sinngemäß,
den Bescheid der Beklagten vom 29.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.10.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Unfall vom 23.04.1986 als Arbeitsunfall festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
das Ereignis vom 24.04.1986 als Arbeitsunfall festzustellen.
Sie nimmt Bezug auf das Urteil des Landessozialgericht...