Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch eines Medizinischen Versorgungszentrums auf Genehmigung von mehr als zwei Nebenbetriebsstätten
Orientierungssatz
1. Nach § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV ist eine vertragsärztliche Tätigkeit außerhalb des Vertragsarztsitzes an weiteren Orten zulässig, wenn dies die Versorgung der Versicherten an den weiteren Orten verbessert und die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Ort des Vertragsarztsitzes nicht beeinträchtigt wird. Für Medizinische Versorgungszentren (MVZ) gilt dies nach § 1 Abs. 3 Ärzte-ZV entsprechend.
2. Eine berufsrechtlich unzulässige Gestaltung ist auch vertragsarztrechtlich nicht genehmigungsfähig. Die Regelung ärztlicher Berufsausübung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung fällt zwar in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG. Soweit kollidierende Regelungen bestehen, folgt hieraus aber nicht die Außerkraftsetzung des landesrechtlichen Kammerrechts, weil es hierfür an einer Gesetzgebungskompetenz des Bundes fehlt. Das landesrechtliche Berufsrecht ist insofern vorrangig.
3. Sieht eine landesrechtliche Berufsordnung die Beschränkung des Vertragsarztes auf zwei weitere Tätigkeitsorte vor und gilt nach ihr diese Beschränkung für ein zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenes MVZ nicht, so ist dem MVZ eine Genehmigung für mehr als zwei Nebenbetriebsstätten zu erteilen, wenn hierdurch entsprechend § 24 Abs. 3 S. 1 Ärzte-ZV eine Verbesserung der Versorgung der Versicherten an den weiteren Orten erreicht wird, ohne dass die Versorgung der Versicherten am Vertragsarztsitz beeinträchtigt wird.
Nachgehend
Tenor
I. Der Bescheid der Beklagten vom 07.11.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.03.2008 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, über die Anträge der Klägerin vom 24.05.2007 und vom 13.08.2007 zur Genehmigung von Nebenbetriebsstätten an den Standorten W. Straße und L. Straße in D. unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird endgültig auf 30.000 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin ist ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) mit einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Trägergesellschaft. Die Klägerin ist mit Vertragsarztsitz in der O. Straße in D. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Für die Standorte A. in A., F. Straße und G Straße in D. wurden der Klägerin die Genehmigungen für Nebenbetriebsstätten erteilt.
Am 24.05.2007 und am 13.08.2007 beantragte die Klägerin die Genehmigung zweier weiterer Nebenbetriebsstätten an den Standorten L. Straße und W. Straße in D. Diese Anträge lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 07.11.2007 ab. Den hier gegen gerichteten Widerspruch vom 08.11.2007 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04.03.2008 zurück. Entsprechend den Regelungen in § 24 Zulassungsverordnung-Ärzte (Ärzte-ZV), § 15a Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) i.V.m. § 17 Abs. 2 Sächsische Berufsordnung (BO) sei es dem Vertragsarzt bzw. dem MVZ gestattet, über die Betriebsstätte hinaus an zwei weiteren Orten ärztlich tätig zu werden. Die Anzahl der Nebenbetriebsstätten sei damit auf zwei weitere Standorte begrenzt. Zwar seien mit dem Vertragsarztrechtsänderungsgesetz weder in der Ärzte-ZV noch im BMV-Ä konkrete Aussagen hinsichtlich der Anzahl möglicher Nebenbetriebsstätten getroffen worden. Diese Vorgaben würden sich indes aus § 17 BO ergeben. Die BO gelte für alle in Sachsen tätigen Ärzte und sehe berufsrechtliche Pflichten vor. Ein MVZ werde ebenso wie ein niedergelassener Arzt für einen Vertragsarztsitz zugelassen. Weitere Tätigkeitsorte, an denen der Vertragsarzt oder ein MVZ an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen wolle, seien Nebenbetriebsstätten. Daraus leite sich ab, dass auch ein MVZ einen Praxissitz habe, für den die Regelungen der BO anzuwenden sei. Auch wenn diese spezifischen Begriffe aus der vertragsärztlichen Versorgung zum Teil nicht explizit in der BO aufgeführt seien, komme ihnen Geltung zu. Insoweit gelte die Begrenzung der Anzahl der Nebenbetriebsstätten auch für MVZ. Der Hinweis, ein MVZ sei eine Berufsausübungsgemeinschaft und damit § 17 BO nicht anwendbar, treffe nicht zu. Mit § 1a Nr. 12 BMV-Ä seien Berufsausübungsgemeinschaften als “rechtlich verbindliche Zusammenschlüsse von Vertragsärzten oder/und Vertragspsychotherapeuten oder Vertragsärzten/Vertragspsychotherapeuten und Medizinischen Versorgungszentren oder Medizinischen Versorgungszentren untereinander zur gemeinsamen Ausübung der Tätigkeit„ definiert. Das MVZ als solches stelle damit keine Berufsausübungsgemeinschaft dar.
Hier gegen richtet sich die am 13.03.2008 erhobene Klage. Die Klägerin hat ausgeführt, vertragsärztlich gebe es keine Beschränkungen der Anzahl von Nebenbetriebsstätten. Die von der Beklagten herangezogene Begrenzung auf der Grundlage von § 17 BO treffe nicht zu. Der Begriff des MVZ sei ein rein vertragsarztrechtlicher Begriff....