Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der Aussetzung der Rentenanpassung in der gesetzlichen Rentenversicherung für das Jahr 2004 und der vollen Beitragszahlung der Rentner zur sozialen Pflegeversicherung
Leitsatz (amtlich)
1. Der Ausfall der Rentenanpassung zum 1.7.2004 ist nicht verfassungswidrig.
2. Es verstößt nicht gegen Verfassungsrecht, dass die Rentner ab 1.4.2004 den vollen Beitrag zur gesetzlichen Pflegeversicherung tragen müssen.
Orientierungssatz
1. Die sogenannten Zusatzsysteme (beispielsweise Zuschuss zu Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen, Abfindungen, Steigerungsbeträge, Kinderzuschuss, Auffüllbeträge) vermitteln keine Rechte auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung des SGB 6 und zählen damit nach der Rechtsprechung des BSG nicht zu dem Kernsystem der gesetzlichen Rentenversicherung des SGB 6.
2. Der Gesetzgeber ist grundsätzlich befugt, in das jeweils vorgefundene Leistungsgefüge ordnend einzugreifen (vgl BSG vom 31.7.2002 - B 4 RA 120/00 R = BSGE 90, 11 = SozR 3-2600 § 255c Nr 1). Dies ist dann der Fall, wenn der Eingriff unter Beachtung der übrigen betroffenen Grundrechte verhältnismäßig ist.
3. Die Rechtsinstitution der jährlichen Rentenanpassung in Höhe der Inflationsausgleiches fällt in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie (Anschluss an BSG vom 31.7.2002 - B 4 RA 120/00 R aaO). Der Eingriff in das Eigentumsrecht auf Grund des Ausfalls der Rentenanpassung 2004 ist jedoch gerechtfertigt. Der Gesetzgeber hat gemäß Art 14 Abs 1 S 2 GG die Befugnis, Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen. Er kann in eigentumsrechtlich geschützte Positionen eingreifen, wenn dies durch Gründe des öffentlichen Interesses und unter Berücksichtigung des GG der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt ist (vgl BVerfG vom 28.4.1999 - 1 BvL 32/95 ua = BVerfGE 100, 1 = SozR 3-8570 § 10 Nr 3).
Nachgehend
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin werden nicht erstattet.
III. Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen den Ausfall der Rentenanpassung zum 01.07.2004 und begehrt, dass die Beklagte weiterhin ihren Beitrag zur gesetzlichen Pflegeversicherung zur Hälfte trage.
Die 1942 geborene Klägerin war zuletzt vom 15.05.1987 bis 28.02.1990 als Fachverkäuferin beschäftigt, anschließend war sie arbeitslos. Auf Grund eines Urteils des Sozialgerichts Dresden vom 25.11.1999 (Az: S 4 RA 250/98) bezieht die Klägerin ab 01.06.1997 eine unbefristete Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Bei der Berechnung der Rente legte die Klägerin 17,4156 persönliche Entgeltpunkte (Ost) zu Grunde.
Mit Bescheid vom 08.04.2004 (Behördenakte S. - BAS - 623) teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ab 01.04.2004 monatlich 367,44 € gezahlt würden. Aus der Rente seien ab 01.04.2004 Beiträge zur Pflegeversicherung in Höhe von 1,7 % einzubehalten. Bei einem Rentenbetrag von 400,04 € ergebe dies einen Pflegeversicherungsbeitrag in Höhe von 6,80 €.
Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 10.03.2004, bei der Beklagten eingegangen am 11.03.2004, Widerspruch.
Mit Schreiben vom 30.06.2004 beantragte die Klägerin eine Rentenanpassung zum 01.07.2004 nach §§ 65, 68, 255e SGB VI.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 06.08.2004 ab. Durch Art. 2 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches und anderer Gesetze (2. SGB VI-ÄndG) vom 27.12.2003 (BGBl. I, 3013) sei festgelegt worden, dass sich der aktuelle Rentenwert und der aktuelle Rentenwert (Ost) zum 01.07.2004 nicht veränderten.
Auch gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin mit Schreiben vom 10.08.2004, bei der Beklagten eingegangen am 12.08.2004, Widerspruch. Die Nichterhöhung des aktuellen Rentenwertes zum 01.07.2004 werde für willkürlich und verfassungswidrig erachtet.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13.09.2004 wies die Beklagte die Widersprüche gegen die Bescheide vom 08.03.2004 und vom 06.08.2004 zurück. Die angegriffenen Regelungen des 2. SBG VI-ÄndG seien unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat am 06.10.2004 Klage vor dem Sozialgericht Dresden erhoben.
Sie trägt im Wesentlichen vor, sie habe bislang einen Pflegeversicherungsbeitrag in Höhe von 3,40 € getragen und werde nun mit 6,80 € monatlich belastet.
Art. 14 GG werde verletzt. Sozialversicherungsrechtliche Positionen könnten grundsätzlich den Schutz der Eigentumsgarantie genießen. Sie habe seit der Einrichtung der sozialen Pflegeversicherung im Jahr 1995 durch ihre regelmäßigen Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung bis zum Rentenbeginn am 01.06.1997 die Pflegeversicherung mitfinanziert. Diesem Beitrag in der Erwerbsphase habe bisher eine entsprechende Vergünstigung in der eigenen Rentenbezugsphase gegenübergestanden. Durch die ersatz- und übergangslose Streichung der Zuschüsse des Rentenversicherungsträgers zu den Pfleg...