Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Unzulässigkeit der Klage. Versäumung der Klagefrist. Zustellung des Widerspruchsbescheides durch Empfangsbekenntnis. keine unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung bei Verwendung des Begriffs der "Bekanntgabe" anstelle des Begriffs der "Zustellung". Monatsfrist

 

Orientierungssatz

Die Rechtsbehelfsbelehrung eines nach § 5 Abs 4 VwZG (juris: VwZG 2005) per Empfangsbekenntnis zugestellten Widerspruchsbescheides, nach welcher Klage innerhalb eines Monats nach "Bekanntgabe" der Entscheidung erhoben werden kann, ist nicht unrichtig iS des § 66 Abs 2 S 1 SGG und löst nicht den Lauf der Jahresfrist aus.

 

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Sprungrevision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt im Rahmen der Leistungen der Grundsicherung für Erwerbsfähige nach dem SGB II vom Beklagten die Bewilligung höherer Unterkunftskosten für April 2006.

Die 1979 geborene Klägerin ist alleinstehend und bezieht seit Januar 2005 Leistungen der Grundsicherung für Erwerbsfähige nach dem SGB II. Sie bewohnt eine 49,24qm-Wohnung, deren Grundmiete anfangs 251,76 € zuzüglich warmer Betriebskosten in Höhe von 79,00 € betrug. Zum 01.09.2005 wurde die Miete verändert auf Nettokaltmiete in Höhe von 248,66 € zuzüglich Betriebs- und Heizkosten in Höhe von 120,00 €.

Auf den Fortzahlungsantrag vom 29.12.2005 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen der Grundsicherung für die Zeit vom 01.11.2005 bis 30.04.2006 in Höhe von monatlich 691,48 €, unter Berücksichtigung von Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 360,48 €, davon 45,82 € Heizkosten.

Nach anfänglicher Bewilligung der vollen Kosten der Unterkunft und Heizung (lediglich gekürzt um die Warmwasserpauschale) wies der Beklagte die Klägerin mit dem Bewilligungsbescheid vom 24.10.2005, mit dem eine Betriebskostennachzahlung übernommen wurde, darauf hin, dass einmalig auch unangemessene Kosten zu übernehmen seien und sie habe auf “sparsamen Umgang„ zu achten. Mit Schreiben vom 26.10.2005 forderte der Beklagte die Klägerin dazu auf, Ihre Kosten für Unterkunft und Heizung zu senken. Für einen Ein-Personen-Haushalt sei höchstens eine Bruttokaltmiete von 252,45 € zuzüglich Heizkosten von maximal 46,80 angemessen. Auf diesen Wert habe die Klägerin ihr Kosten bis 31.03.2006 zu senken. Sollte ihr dies nicht möglich sein, habe sie hiermit die Gelegenheit zur Stellungnahme, in deren Folge der Beklagte prüfen werde, ob eine Ausnahme möglich sei. Mit Schreiben vom 23.11.2005 teilte die Klägerin mit, dass ihr bei Erstantragstellung gesagt worden sei, dass sie in der Wohnung bleiben könne. Hieran sei ihr auch sehr gelegen, da sie erheblich an Einrichtungsgegenständen investiert habe. Zudem wohnten im Gebäude auch die Eltern der Klägerin, die sie im Haushalt unterstütze. Mit Schreiben vom 13.12.2005 teilte der Beklagte der Klägerin nochmals mit, dass ihre Unterkunftskosten unangemessen hoch seinen und die von der Klägerin vorgebrachten Gründe nicht geeignet seien, ausnahmsweise die überhöhten Kosten zu übernehmen. Ab 01.04.2006 werde die Klägerin den unangemessenen Mietteil selbst übernehmen müssen, wenn sie nicht umziehe.

Im Rahmen des (Änderungs-)Bewilligungsbescheides vom 19.04.2006 für April 2006 berechnete der Beklagte die Leistung unter Zugrundelegung von Unterkunfts- und Heizkosten in Höhe von insgesamt 299,25 €.

Am 28.01.2010 beantragte die Klägerin ohne weitere Begründung die Überprüfung aller Bewilligungsbescheide für den Zeitraum April 2006 bis April 2010.

Mit Überprüfungsbescheiden vom 04.02.2010 wies der Beklagte den Antrag (auch) zum streitgegenständlichen Zeitraum zurück und führte aus, dass die Bewilligungsbescheide auch nach nochmaliger Prüfung nicht zu beanstanden seien.

Hiergegen erhob der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 08.03.2010 Widerspruch mit der Begründung, dass die Kosten für Unterkunft und Heizung nicht in vollem Umfang berücksichtigt seien und auch die Warmwasserpauschale nicht in gesetzlicher Höhe abgezogen sei. Der Widerspruch wende sich gegen die Absenkung der Unterkunftskosten auf 308,70 €.

Mit Widerspruchsbescheid (W 2980/10) vom 03.05.2010 wies der Beklagte den Widerspruch für den streitgegenständlichen Zeitraum zurück. Die Absenkung der Unterkunftskosten sei entsprechend dem Stadtratsbeschluss vom 24.02.2005 erfolgt. Erst mit Urteil des Bundessozialgerichts vom 22.09.2009 sei festgestellt worden, dass der Stadtratsbeschluss nicht den Anforderungen entspricht und die Grenzwerte vielmehr an der Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums des Inneren zur Modernisierung und Instandsetzung von Mietwohnungen als Ersatzwohnraum vom 27.06.2005 auszurichten wären. Der vorliegend angefochtene Bescheid sei davor aber bereits bestandskräftig gewesen, so dass das BSG-Urteil auf den streitgegenständlichen Zeitraum nicht angewendet werden könne. Die Rechtsbehelfsbelehrung lautete: “Gegen diese Entscheidung kann jeder Betroffene für si...

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