Entscheidungsstichwort (Thema)
Bemessung des Insolvenzgeldes. Begrenzung durch monatliche Beitragsbemessungsgrenze. Ermittlung des Höchstbetrages. Europarechtskonformität. Berücksichtigung von Reisekosten und Spesen. Nichtberücksichtigung einer Tantieme als Jahressonderzahlung
Leitsatz (amtlich)
Die Regelung des § 185 Abs 1 SGB 3 ist unter Würdigung der EWGRL 987/80 dahingehend auszulegen, dass für den Anspruch auf Insolvenzgeld die Grenze in Höhe des 3-fachen der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze maßgeblich ist, sofern Insolvenzgeld für volle 3 Monate zu zahlen ist.
Orientierungssatz
1. Zu den insolvenzgeldfähigen Bezügen aus dem Arbeitsverhältnis zählen alle Leistungen des Arbeitgebers, die eine Gegenleistung für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers darstellen (vgl BSG vom 24.3.1983 - 10 RAr 15/81 = BSGE 55, 62 = SozR 4100 § 141b Nr 26 und vom 18.1.1990 - 10 RAr 10/89 = SozR 3-4100 § 141b Nr 1). Hierzu gehören grundsätzlich auch zu erstattende Auslagen wie Reisekosten (vgl BSG vom 18.9.1991 - 10 RAr 12/90 = BSGE 69, 228 = SozR 3-4100 § 141b Nr 2) und Spesen, wenn sie sich dem Insolvenzgeldzeitraum zeitlich zuordnen lassen und durchsetzbar sind.
2. Sonderzuwendungen (wie hier die Tantieme) sind bei der Berechnung des Insolvenzgeldes nach § 183 SGB 3 nur dann berücksichtigungsfähig, wenn sie sich ganz oder anteilig den dem Insolvenzereignis vorausgehenden 3 Monaten zuordnen lassen. Ist eine Tantieme eine Jahressonderzahlung, so sind bei der zeitlichen Zuordnung der arbeitsrechtliche Entstehungsgrund und die Zweckbestimmung der Leistung ausschlaggebend. Arbeitsvertragliche Vereinbarungen bzw Regelungen, die einen zeitanteiligen Anspruch vorsehen, begründen einen Insolvenzgeldanspruch in Höhe des auf den Insolvenzgeldzeitraum entfallenden Anteils. Bestanden somit Ansprüche auf monatliche Abschlagszahlungen, kann ein anteiliger, auf den Monat umgerechneter Teil beim Insolvenzgeld berücksichtigt werden. Lässt sich die Sonderzuwendung nicht in dieser Weise einzelnen Monaten zuordnen, ist sie in voller Höhe bei dem Insolvenzgeld zu berücksichtigen, wenn sie im Insolvenzgeldzeitraum zu einem Stichtag im Arbeitsverhältnis stehenden Arbeitnehmern hätte ausgezahlt werden müssen. Ist beides nicht der Fall, findet die Sonderzahlung beim Insolvenzgeld überhaupt keine Berücksichtigung (vgl BSG vom 23.3.2006 - B 11a AL 65/05 R = ZIP 2006, 1882 und vom 2.11.2000 - B 11 AL 87/99 R = SozR 3-4100 § 141b Nr 21).
3. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 41 Abs 1 InsO, wonach nicht fällige Forderungen als fällig gelten. Entscheidend ist für die Berücksichtigung des Anspruchs bei der Insolvenzgeldberechnung nicht die Fälligkeit eines Anspruchs sondern die Durchsetzbarkeit.
Tenor
I. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 08.11.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.03.2008 verurteilt, dem Kläger weiteres Insolvenzgeld in Höhe von 928,50 € brutto und 1.488,90 € netto zu bewilligen.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten zu 40 % zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Berechnung des von der Beklagten zu zahlenden Insolvenzgeldes streitig.
Der 1973 geborene Kläger war ab 01.04.2001 als Consultant bei E. beschäftigt. Im Arbeitsvertrag mit E. war ein Jahreszieleinkommen von 105.000,00 DM sowie eine Tantieme in Höhe von 10 % des Jahreszieleinkommens vorgesehen. § 3 des Arbeitsvertrages regelte eine monatliche Abschlagszahlung des geplanten Tantiemebetrages in Höhe von 1 / 12 . Das Arbeitsverhältnis wurde im Wege der Betriebsübernahme von der P. AG in M. übernommen. Zum 01.01.2004 wurde der Kläger zum Senior Consultant mit einem Jahresfixgehalt von 60.000,00 € ernannt. Zum 01.01.2007 wurde der Kläger zum Management Consultant bei der P. AG ernannt. In dem Jahresgespräch vom 15.12.2006 wurde ab 01.01.2007 ein fixes Gehalt in Höhe von 68.000,00 € sowie eine Tantieme von 7.000,00 € festgelegt.
Das Arbeitsverhältnis des Klägers endete zum 31.07.2007. Der Kläger beantragte am 22.08.2007 bei der Beklagten Insolvenzgeld und machte zunächst den Arbeitgeberbeitragszuschuss zur freiwilligen/privaten Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 159,39 € für den Monat Juli 2007 geltend. Der Insolvenzverwalter erklärte mit Schreiben vom 08.08.2007, dass der Kläger für die Zeit vom 01.07.2007 bis 31.07.2007 kein Arbeitsentgelt erhalten habe. Er habe, ausgehend von der Beitragsbemessungsgrenze von 5.250,00 €, noch ein Nettoentgelt für den Monat 07/2007 in Höhe von 3.672,45 € zu beanspruchen. Die Beklagte bewilligte daraufhin zunächst mit Bescheid vom 28.08.2007 einen Vorschuss auf das zu erwartende Insolvenzgeld in Höhe von 2.500,00 €. Das Insolvenzverfahren gegen die P. AG wurde am 01.10.2007 eröffnet. Nachdem die Insolvenzgeldbescheinigung des Insolvenzverwalters (vom 24.10.2007) vorlag, welche für den Monat Juli 2007 noch nicht ausgezahltes Nettoarbeitsentgelt von 3.672,45 € zuzüglich des Beitragszuschusses zur Kranken-/Pflegeversicherung ...