Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Angemessenheit der Unterkunftskosten. Rechtsprechung des BSG zum schlüssigen Konzept. Verfassungswidrigkeit. Anwendung der Wohngeldtabelle mit Sicherheitszuschlag. Kostensenkungsverfahren. erneuter Übergangszeitraum
Orientierungssatz
1. Die Rechtsprechung des BSG zum erforderlichen "schlüssigen Konzept" bei der Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 entspricht nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben an ein transparentes Verfahren bei der Berechnung der Ansprüche, die sich aus dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ergeben.
2. Die Grenzen der möglichen verfassungskonformen Auslegung sind überschritten, wenn die Rechtsprechung selbst ohne entsprechende Vorgaben durch den Gesetzgeber umfangreiche Anforderungen an eine die Existenzsicherung beschränkende Ausfüllung eines unbestimmten Rechtsbegriffes stellt.
3. Eine Deckelung der (angemessenen) Bedarfe der Unterkunft, die den Vorgaben des BVerfG genügt, kann daher allenfalls auf der Grundlage von §§ 22a - 22c SGB 2 erfolgen.
4. Solange keine den Vorgaben des BVerfG genügende Regelung über die Ermittlung der Angemessenheit der Bedarfe der Unterkunft iS von § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 zur Verfügung steht, erscheint es der Kammer angezeigt, in diesem Zusammenhang auf die vom Gesetzgeber in einem dem vom BVerfG verlangten nahekommenden Verfahren errechneten Werte der Tabelle in § 12 Abs 1 WoGG zurückzugreifen und diese um einen maßvollen Zuschlag von 10 % zu erhöhen.
5. Wenn ein ganz beträchtlicher Zeitraum zwischen dem Ausscheiden aus dem Leistungsbezug und dem erneuten Eintritt in den Leistungsbezug liegt und die Leistungsbezieher in dieser Zeit aus eigenen Einkünften die unangemessen hohen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung bestreiten konnten, so ist ihnen ein erneuter Zeitraum einzuräumen, um ihre unangemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung abzusenken.
Tenor
I. Der Beklagte wird verurteilt, den Klägern im Zeitraum März bis August 2011 Kosten der Unterkunft in Höhe von monatlich weiteren 64,93 € zu gewähren. Der Bescheid vom 24. Februar 2011 in der Fassung des Bescheides vom 26. März 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. August 2011 wird aufgehoben, soweit er dem entgegensteht.
II. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Kläger.
III. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger begehren höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für den Zeitraum vom 1. März 2011 bis 31. August 2011.
Der am … 1957 geborene Kläger zu 1 und die am … 1958 geborene Klägerin zu 2 beantragten bei dem Beklagten am 9. Dezember 2008 erstmals Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Sie bewohnen seit 1992 eine 3-Raum-Wohnung mit einer Größe von ca. 73 m². Gemäß dem Schreiben des Vermieters vom 15. Oktober 2010 betrug die Nettokaltmiete ab 1. März 2010 monatlich 330,39 €. Die Nebenkostenvorauszahlung betrug monatlich 81 € und die Heizkostenvorauszahlung monatlich 65 €. Mit Schreiben vom 6. Februar 2009 hatte der Beklagte die Kläger zur Senkung der Kosten der Unterkunft aufgefordert.
Die Kläger bezogen zunächst im Zeitraum Dezember 2008 bis April 2010 Leistungen nach dem SGB II. Nachdem die Klägerin zu 2 eine Abfindung aus einem aufgelösten Arbeitsverhältnis bezogen hatte, lehnte der Beklagte für den Zeitraum bis Februar 2011 die Gewährung von Leistungen wegen übersteigenden Einkommens ab.
Auf den Weiterbewilligungsantrag der Kläger vom 7. Februar 2011 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 24. Februar 2011 für die Monate März bis Juni 2011 monatlich 437,84 € und für Juli bis August 2011 monatlich 1057,60 €. Die Klägerin zu 2 bezog bis 30. Juni 2011 monatlich 659,70 € Arbeitslosengeld I. Mit Änderungsbescheid vom 26. März 2011 bewilligte der Beklagte den Klägern für die Monate März bis Juni 2011 monatlich 447,84 € und für Juli bis August 2011 monatlich 1067,60 €.
Die Kläger erhoben am 28. März 2011 Widerspruch, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. August 2011 zurückwies.
Die Kläger haben am 8. September 2011 Klage vor dem Sozialgericht Dresden erhoben. Sie tragen im Wesentlichen vor, laut Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei für die Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft ein schlüssiges Konzept erforderlich. Bisher habe der Beklagte kein geeignetes schlüssiges Konzept vorgelegt.
Die Kläger beantragen:
1. Der Bescheid des Beklagten vom 24. Februar 2011 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 26. März 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. August 2011 wird aufgehoben.
2. Der Beklagte wird verpflichtet, den Klägern für den Zeitraum März bis August 2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Angemessen seien nur Kosten der Unterkunft in Höhe von 347 €.
Am 19. Dezember 2011 hat der Beklagte ein Teilanerkenntnis abgegeben, d...