Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Kosten für eine nebenberufliche Ausbildung. kein Abzug als Werbungskosten oder Betriebsausgaben. fehlende kausale Verknüpfung
Leitsatz (amtlich)
1. Kosten für eine (nebenberufliche) Ausbildung sind weder als (vorweggenommene) Werbungskosten nach § 11 Abs 2 Satz 1 Nr 5 SGB II noch als Betriebsausgaben nach § 3 Abs 2 Alg II-V (juris: AlgIIV 2008) vom Einkommen absetzbar, wenn eine kausale Verknüpfung zwischen den fraglichen Aufwendungen und der Erzielung des konkreten Einkommens fehlt.
2. Kosten für eine Heilpraktikerausbildung können nicht von Einnahmen eines selbständigen Gewerbes abgezogen werden, das aus der Tätigkeit an der Rezeption einer Tierarztpraxis, der Aushilfe in einem Textileinzelhandelsgeschäft, der Betreuung eines Weihnachtsmarktstandes und aus Büroarbeiten bei der Erstellung eines Flyers besteht.
Nachgehend
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Beklagten hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten zu einem Zehntel zu erstatten.
III. Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die endgültige Festsetzung des der Klägerin für den Bewilligungszeitraum von September 2009 bis Februar 2010 gewährten Arbeitslosengeldes II (Alg II), insbesondere, ob die Kosten für eine selbst finanzierte Heilpraktikerausbildung auch bei der Festsetzung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) als „vorweggenommene Werbungskosten“ oder als Betriebsausgabe zu berücksichtigen sind.
Die im Jahre 1982 geborene, erwerbsfähige Klägerin war alleinstehend und bewohnte als Untermieter eine Wohneinheit für eine monatliche Gesamtmiete von 125 €. Seit Ende März 2008 ließ sie sich berufsbegleitend zum Heilpraktiker ausbilden. Nach dem Vertrag mit der ausbildenden Heilpraktikerschule betrugen die Ausbildungskosten 180 € monatlich. Eine finanzielle Förderung der Ausbildung erhielt sie weder vom Beklagten noch von einem Dritten.
Seit dem 14.02.2008 bezog die Klägerin vom Beklagten Alg II. Am 22.08.2008 meldete sie ein Gewerbe mit der Tätigkeitsbeschreibung „Schreibarbeiten, Veranstaltungsservice, Servicekraft in der Gastronomie und Einzelhandel, Haushaltshilfe“ an, das sie zunächst als Neben-, ab Dezember 2008 im Haupterwerb selbständig ausübte. Tatsächlich flossen der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum Einnahmen für die Tätigkeit an der Rezeption einer Tierarztpraxis, als Aushilfe in einem Textileinzelhandelsgeschäft, für die Betreuung eines Weihnachtsmarktstandes und für Büroarbeiten bei der Erstellung eines Flyers zu, nicht jedoch für Tätigkeiten, die mit ihrer Heilpraktikerausbildung im Zusammenhang standen.
Auf ihren Antrag vom 24.06.2009 bewilligte der Beklagte der Klägerin für den Bewilligungszeitraum von September 2009 bis Februar 2010 zunächst vorläufig Alg II in Höhe von monatlich 225,06 €. Da - trotz Mitwirkungsaufforderung - zunächst keine vollständigen (Ausgaben-)Belege vorlagen, änderte der Beklagte die Bewilligung mit Bescheid vom 24.05.2011 auf 177,14 € monatlich ab. Im darauffolgenden Widerspruchsverfahren vervollständigte die Klägerin die Unterlagen. Der Beklagten nahm daraufhin den Bescheid vom 24.05.2011 zurück, setzte mit Bescheid vom 12.01.2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 08.03.2012 das Alg II der Klägerin auf monatlich 243,68 € endgültig fest und verfügte eine dementsprechende Nachzahlung; im übrigen wies er den Widerspruch nach Erlass des Änderungsbescheides als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 07.05.2012). Er legte dabei alle Einnahmen der Klägerin aus ihrem selbständigen Gewerbe zugrunde und zog davon alle geltend gemachten Ausgaben mit Ausnahme der Kosten für die Heilpraktikerausbildung (sechs Monatsraten á 180 €, i. e. 1.080 € insgesamt) sowie für eine beruflich genutzte Jacke (einmalig 269,95 €) ab; die Kosten für zwei weitere, beruflich genutzte Kleidungsstücke erkannte sie nur zur Hälfte, also nur in Höhe von 46,73 € statt 93,45 €, an.
Hiergegen hat die Klägerin am 23.05.2012 Klage vollumfänglich erhoben. Nachdem das Verfahren zunächst wegen eines Berufungsverfahrens zwischen Beteiligten ob der Höhe der vorläufigen Bewilligung in einem anderen Bewilligungszeitraum geruht hat, hat die Klägerin das Verfahren im November 2015 wieder aufgenommen, ihre Klage aber auf die Berücksichtigung der Ausbildungskosten beschränkt.
Sie ist der Auffassung, dass ein modifizierter Werbungskostenbegriff anzuwenden sei. Die Kosten der Ausbildung sei nach dem Steuerrecht als „vorweggenommene Betriebsausgabe“ einnahmemindernd zu berücksichtigen (Hinweis auf Bundesfinanzhof [BFH] Urteil vom 13.02.2003 - IV R 44/01 - juris); die Ausgaben seien aber auch nach der sozialrechtlich gebotenen eigenständigen Wertung (Hinweis auf Bundesssozialgericht [BSG], Urteil vom 19.06.2012 - B 4 AS 163/11 R - juris) anerkennenswert, da die Ausbildung eine Erwerbstätigkeit e...