Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilferecht: Leistungen zur Wohnungserstausstattung. Umfang des Leistungsanspruchs. Anforderung an Anordnungsanspruch im sozialgerichtlichen Eilverfahren über Wohnungserstausstattung
Orientierungssatz
1. Im Rahmen der Gewährung von Leistungen zur Wohnungserstausstattung eines Empfängers von Leistungen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit besteht kein Anspruch auf Kostenübernahme für eine hochwertige Ausstattung mit Vorhängen und Rollos. Vielmehr kann der Grundsicherungsempfänger auf einfache und kostengünstige Verdunklungsmöglichkeiten verwiesen werden.
2. Für die Durchsetzung eines Anspruchs auf Gewährung von Leistungen zur Wohnungserstausstattung im Rahmen der Sozialhilfeleistungen, die der Anschaffung von Vorhängen und Rollos dienen, fehlt es im Rahmen eines sozialgerichtlichen Eilverfahrens im Regelfall an einem Anordnungsgrund, da eine Eilbedürftigkeit zur Überwindung einer existenziellen Not regelmäßig nicht anzunehmen ist.
Tenor
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Der von der Antragstellerin am 19.07.2019 gestellte Eilantrag,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihr 1.717,78 EUR für Vorhänge / Verdunkelung zu zahlen, hilfsweise Hotelkosten zu übernehmen,
hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen nicht vor.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer solchen Regelungsanordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes voraus. Ein Anordnungsanspruch liegt vor, wenn der Antragsteller das Bestehen eines Rechtsver-hältnisses glaubhaft macht, aus dem er eigene materiell-rechtliche Ansprüche ableitet. Maßgeblich sind grundsätzlich die Erfolgsaussichten der Hauptsache (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 12. Aufl., 2017, § 86b Rn. 27 ff.). Ein Anordnungsgrund ist nur gegeben, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass ihm unter Berücksichtigung der widerstreitenden öffentlichen Belange ein Abwarten bis zur Entscheidung der Hauptsache nicht zuzumuten ist. Voraussetzung hierfür ist das Vorlie-gen einer gegenwärtigen Notlage, die eine unverzügliche Entscheidung als unabweis-bar erscheinen lässt. Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund allerdings nicht isoliert nebeneinander. Es besteht vielmehr zwischen beiden eine Wechsel-beziehung der Art, dass die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils zu verringern sind und umgekehrt.
Es bestehen bereits erhebliche Zweifel am Bestehen eines Anordnungsanspruchs. Es ist zunächst schon ungeklärt und nicht glaubhaft gemacht, ob die Antragstellerin wirklich neue Vorhänge für Küche, Wohnzimmer und Schlafzimmer benötigt, oder ob sie aus ih-rer alten Wohnung noch über Vorhänge oder Rollos verfügt, die sie auch in der neuen Wohnung nutzen kann. Selbst wenn man davon ausgeht, dass sie möglicherweise einen Anspruch auf Erstausstattung nach § 42 Nr. 2 i.V.m. § 31 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetz-buch Zwölftes Buch (SGB XII) oder auf ein Darlehen nach § 42 Nr. 5 i.V.m. § 37 Abs. 1 SGB XII haben könnte, so besteht ein solcher Anspruch jedenfalls nicht ihn Höhe der geltend gemachten Kosten für Gardinen / Rollos vom Raumausstatter. Denn der von der Klägerin geforderte Betrag übersteigt das im Sozialhilferecht Angemessene bei weitem. Nach der Rechtsprechung des BSG sind pauschale Geldbeträge für Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten und für Bekleidung so zu bemessen, dass der Hilfebedürftige mit dem gewährten Betrag einfache und grundlegende Wohn-bedürfnisse in vollem Umfang befriedigen bzw. sich in menschenwürdiger Weise kleiden kann. Er kann grundsätzlich auch auf den Kauf von gebrauchten Artikeln verwiesen werden; dies verstößt nicht gegen die Menschenwürde, zumal der Kauf in "Secondhand-Läden" in weiten Bevölkerungskreisen allgemein üblich ist (vgl. Blüggel in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 31 SGB XII, Rn. 66 f. m.w.N.). Für die voll-ständige Erstausstattung eines Ein-Personenhaushaltes hat die Antragsgegnerin in ihrer internen Richtlinie vom 15.05.2017 (im Internet abzurufen unter: https://www.leverkusen.de/vv/forms/4/ KDU Verfuegung Bedarfe fuer Unterkunft und Heizung 150517.pdf) als Pauschal-betrag 1.500 EUR vorgesehen. Von diesem Betrag sind sämtliche Möbel, Küchengeräte und Haushaltsgegenstände zu finanzieren. Es ist offensichtlich, dass Kosten für Vor-hänge in Höhe von 1.717,78 EUR hierzu nicht in einem angemessenen Verhältnis stehen. Weitere Recherche im Internet ergibt, dass beispielsweise bei Ikea Ab- und Ver-dunklungsvorhänge oder Rollos für das Schlafzimmer der Kläge...